Der König auf Camelot
endlose, nach Meer riechende Ebene war ein einziges
gewaltiges Quaken unter dem tiefhängenden Himmel. Die Rohrdommeln dröhnten, und
die Rohrweihen glitten übers Schilf, und Millionen von Pfeifenten und
Stockenten und Reiherenten flogen in vielfältig gewinkelten Keilformationen
umher, was aussah, als brausten Schwärme von Champagnerflaschen, gewiegt und
getragen von Sagenflügeln, durch die Luft. Die Salzmarschen waren von grasenden
Gänsen aus Spitzbergen bevölkert, die ihre Hälse auf die ihnen eigentümliche
Weise verdrehten und denen die Schlickmänner mit Fallen und Netzen
nachstellten. Die Schlickleute hatten gefleckte Bäuche und Schwimmhäute
zwischen den Zehen – zumindest glaubte man das im übrigen England. Fremde
brachten sie für gewöhnlich um.
Während
Lanzelot einen geraden Weg entlangritt, der nirgends hinzuführen schien, sah er
zwei Reiter im Galopp auf sich zusprengen. Wie sich herausstellte, handelte es
sich um einen Ritter mit seiner Dame. Die Dame jagte wie eine Wilde daher, und
der Ritter verfolgte sie. Sein Schwert blitzte vor dem eintönigen Himmel.
»Holla!
Holla!« rief Lanzelot und ritt ihnen entgegen. »Hilfe!« schrie die Dame.
»Rettet mich! Er will mir den Kopf abschlagen.«
»Mischt
Euch nicht ein! Aus dem Weg!« brüllte der Ritter. »Sie ist mein Weib und hat
Ehebruch begangen!«
»Habe
ich nicht«, jammerte die Dame. »Ach, Herr, rettet mich vor ihm. Er ist ein
grausamer Unhold. Er ist eifersüchtig, bloß weil ich meinen leibhaftigen Vetter
gernhabe. Weshalb sollt’ ich meinen leibhaftigen Vetter nicht gernhaben?«
»Sündiges
Weib!« schrie der Ritter und versuchte, sich auf sie zu stürzen.
Lanzelot
ritt zwischen die beiden und sagte: »Was soll das? Ihr könnt doch eine Frau
nicht derart bedrängen. Wessen Schuld es auch ist: Ihr könnt eine Frau nicht
einfach ermorden.«
»Seit
wann?«
»Seit
König Arthur König ist.«
»Sie
ist meine Frau«, sagte der Ritter. »Sie geht Euch überhaupt nichts an. Haltet
Euch raus! Und sie kann sagen, was sie will: sie ist eine Ehebrecherin.«
»Nein,
bin ich nicht«, sagte die Dame. »Aber Ihr seid ein Tyrann. Und trinken tut Ihr
auch.«
»Und
wer hat mich dazu gebracht, daß ich trinke? Außerdem ist Trinken nicht so
schlimm wie Ehebruch.«
»Seid
still«, sagte Lanzelot. »Alle beide. Das ist ja unerträglich. Ich werde
zwischen Euch reiten müssen, bis Ihr Euch beruhigt habt. Wie war’s, Herr, wenn
Ihr mit mir kämpftet, statt diese Dame umzubringen?«
»Ich
denke nicht daran«, sagte der Ritter. »Ich seh’ an Eurem Wappen, daß Ihr
Lanzelot seid, und ich bin doch kein Narr, mit Euch zu kämpfen – und schon gar
nicht wegen so einer Hure. Was geht Euch das überhaupt an, zum Teufel?«
»Ich
mache mich aus dem Staub«, sagte Lanzelot. »Nur müßt Ihr mir zuvor Euer
Ritterwort geben, daß Ihr der Dame nichts zuleide tut.«
»Ich
verspreche nichts.«
»Das
sieht Euch ähnlich«, sagte die Dame. »Und wenn Ihr’s versprächet, würdet Ihr’s
ohnehin nicht halten.«
»Da
kommen ein paar Reisige aus dem Schlickland«, sagte der fremde Ritter. »Cap-à-pie gewappnet. Dreht Euch mal um.«
Lanzelot
zugehe sein Pferd und blickte zurück. Im selben Augenblick hob sich der Ritter
aus dem Sattel, beugte sich hinüber und hieb der Dame den Kopf ab. Als Lanzelot
sich wieder umwandte, ohne irgend welche Reisige gesehen zu haben, saß die Dame
neben ihm – ohne Kopf. Langsam wankte sie zur Seite, entsetzlich bebend, und
fiel zu Boden. Sein Pferd war über und über mit Blut bespritzt.
Lanzelot
erblaßte.
Er
sagte: »Das kostet Euch den Kopf.«
Sogleich
sprang der Ritter von seinem Gaul und warf sich auf die Erde.
»Tötet
mich nicht!« sagte er. »Gnade! Sie war eine Ehebrecherin.«
Lanzelot
stieg aus dem Sattel und zog sein Schwert.
»Steht
auf«, sagte er. »Steht auf und kämpft, Ihr, Ihr – «
Der
Ritter kroch auf allen Vieren heran und umschlang Lanzelots Schenkel. Dadurch
machte er es dem Rächer unmöglich, sein Schwert zu schwingen. »Gnade!« bettelte
er winselnd.
»Steht
auf«, sagte Lanzelot angewidert. »Steht auf und kämpft. Ich werd’ sogar meine
Rüstung ablegen und nur mein Schwert behalten.«
Der
Ritter aber brachte nur »Gnade! Gnade!« hervor.
Lanzelot
schauderte es. Nicht wegen des Ritters, sondern wegen der Grausamkeit, die er
in sich selbst aufsteigen fühlte. Angeekelt hielt er sein Schwert hoch und
stieß den Ritter von sich.
»Seht
Euch das Blut an«, sagte er.
»Tötet
mich
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