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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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her, er war
in der Anti-Mord-Schwadron, und ich war sein Bruder. Außerdem war’s tapfer.
Aber damals sah ich das noch nicht. Ich hab’ bloß gedacht, er war’ halsstarrig,
und ich hab’ ihm eine gelangt, daß er umfiel, wie er da so kniete. Dann habe
ich mein Schwert gezogen, um ihm den Kopf abzuhauen.«
    Lionel
schwieg eine Weile und blickte vor sich auf die Tafel, wo im Licht vom
Buntglasfenster ein ovaler, schimmernder Rubinsee lag.
    »Wißt
Ihr«, sagte er, »es ist ja ganz gut und schön, sich mit Moral und Dogmen
abzugeben, wenn’s einen nur selber betrifft. Aber was will man machen, wenn
andere in diesen Wirrwarr einbezogen werden? Ich schätze, für Bors war’s ein
klarer Fall: er mußte niederknien und sich töten lassen. Aber gleich drauf kam
ein Eremit aus der Kapelle gerannt und warf sich über meinen Bruder. Er sagte,
er würd’ mich unter allen Umständen daran hindern, ein Brudermörder zu werden.
Ich hab’ den Eremiten getötet.«
    »Einen
Wehrlosen getötet?«
    »Es
tut mir verzweifelt leid, König, aber so ist es. Vergeßt nicht, daß ich in
schrecklicher Wut war, und der Kerl hat mich gehindert, an Bors ranzukommen,
und ich bin nun mal ein Mann mit lockerer Hand. Sie sind mir mit einer Art
moralischer Waffe entgegengetreten, und ich habe meine eigene Waffe dagegen
eingesetzt. Ich hatte das Gefühl, Bors sei mir gegenüber unfair, und dieser
Eremit half ihm dabei. Ich hatte das Gefühl, er setze seinen Willen gegen
meinen. Wenn er den Eremiten retten wollte, sollte er doch aufhören,
halsstarrig zu sein, und aufstehen und kämpfen. Versteht mich recht: ich war
der Meinung, der Eremit sei seine Angelegenheit und nicht die meine. – Ich
fürchte, ich war einfach erregt«, gab Lionel nach einer Weile zu. »Ihr wißt ja,
wie das so geht. Ich hatte mir’s in den Kopf gesetzt zu kämpfen, und den Kampf wollt’
ich jetzt haben. Ich hatte gesagt, ich würde ihn andernfalls töten, und ich
wollte ihn töten. Ihr wißt ja, wie’s ist. Es ist, wie wenn einen der Bock
reitet.«
    Es
entstand ein unbehagliches Schweigen.
    »Ich
werd’ wohl mal lieber meine Geschichte zu Ende bringen«, sagte er verlegen.
    »Fahrt
fort.«
    »Nun
ja, Bors ließ mich den Eremiten töten. Er lag einfach auf der Erde und bat um
Liebe. Ich war wütender denn je, mittlerweile, teils aus Scham, und ich hob
mein Schwert, um meinen Bruder zu enthaupten – da tauchte Sir Colgrevance von
Gore auf. Er stellte sich zwischen uns und sagte: Pfui Teufel, ich sollte mich
was schämen, meines Vaters Blut zu vergießen. Das hatte mir noch gefehlt, wo
mir das Blut des Eremiten um die Füße floß, und da bin ich statt dessen auf
Colgrevance losgegangen. Und ein paar Minuten später hatte ich ihm Beine
gemacht.«
    »Was
hat Bors gemacht?«
    »Der
arme Bors. Wie dem in diesem Augenblick zumute war, da denk’ ich nicht gerne
dran. Er war ja wieder vor seiner Hürde, nicht, und er brauchte sie nur zu
verweigern, um ein anderes Leben zu retten. Das des Eremiten hatte er vergeudet
– augenscheinlich wegen seiner Halsstarrigkeit – , und jetzt war ich drauf und
dran, den unschuldigen Colgrevance umzubringen, der ihm hatte helfen wollen.
Colgrevance hat denn auch geschluchzt und gesagt: ›Steht auf und helft mir,
Mann. Weshalb laßt Ihr mich statt Eurer töten?‹«
    »Passiver
Widerstand«, sagte Arthur mit reger Anteilnahme. »Eine neue Waffe. Scheint
indes schwierig in der Anwendung zu sein. Fahrt fort, bitte.«
    »Nun,
ich habe Colgrevance in fairem Kampf getötet. Tut mir leid, hab’ ich aber. Dann
bin ich zu Bors zurück, um die Angelegenheit zu erledigen. Er hielt sich seinen
Schild über den Kopf, wollte aber nicht kämpfen.«
    »Was
geschah dann?«
    »Gott
kam«, sagte der junge Mann feierlich. »Er trat zwischen uns und blendete uns
und setzte unsre Schilde in Brand.«
    Eine
lange Pause trat ein, in der Arthur die ersten Vorzeichen gewisser Dinge
verdaute, die er teils erhofft, teils befürchtet hatte.
    »Seht
Ihr«, sagte Lionel, »Bors hat gebetet.«
    »Und
Gott kam?«
    »Ich
weiß nicht genau, was geschehen ist, aber die Sonne flammte auf unsern
Schilden. Irgendwas passierte. Plötzlich hörten wir auf zu kämpfen und fingen
an zu lachen. Ich sah, daß Bors ein Idiot war, und er küßte mich, und wir haben
uns ausgesöhnt. Dann hat er mir seine Geschichte erzählt, wie ich Euch
berichtet habe, und dann ist er auf einem Zauberschiff mit weißen Seidensegeln
fortgefahren. Wenn einer den Gral findet, dann Bors. Und das ist das

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