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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Burg in der Nähe
eine Dame befinde, die zum Tode verdammt sei, wenn Bors nicht in ihr Bett käme.
Der vorgebliche Priester wies ihn darauf hin, daß er bereits das Leben seines
eigenen Bruders geopfert habe – nämlich mich – , indem er sich irrigerweise
entschlossen hätte, die Maid zu retten. Und wenn er jetzt nicht mit der neuen
Dame sündige, dann hätte er ein zweites Menschenleben auf dem Gewissen. – Ich
hätt’ noch erwähnen müssen, daß die beiden Ritter mich für tot hatten liegenlassen,
und daß Bors mich wie einen Toten vorgefunden und in eine Abtei zur Beerdigung
befördert hatte. Ich hab’ mich natürlich später wieder erholt. – Na ja, die
Lady erschien auf der Burg – wie von dem falschen Priester dargetan – und
bestätigte die Geschichte. Sie sagte, da war’ ein Zauber, der sie aus Liebe
sterben lasse, wenn mein Bruder nicht lieb zu ihr wäre. Bors machte sich jetzt
klar, daß er entweder sündigen mußte, um die Dame zu retten, oder daß er nicht
sündigte und sie sterben ließ. Hinterher hat er mir erzählt, ihm wären Teile
aus seinem Katechismus und eine Predigt eingefallen, die mal gehalten worden
sei, als ein Missionsfest in Camelot war. Er entschied, daß er für die
Handlungen der Dame nicht verantwortlich sei, wohl aber für seine eigenen. Also
wies er die Dame ab.«
    Ginevra
kicherte.
    »Das
war noch nicht das Ende. Die Dame war umwerfend schön, und sie ist auf den
höchsten Turm der Burg gestiegen, zusammen mit zwölf hübschen Zofen, und sie
sagte, wenn Bors nicht aufhören würde, so prüde zu sein, dann würden sie alle
miteinander in die Tiefe springen. Sie sagte, sie würd’ sie dazu zwingen. Sie
sagte, er brauche nur eine Nacht bei ihr zu verbringen – und weshalb sollt’s
keinen Spaß machen? – , dann wären die Damen alle gerettet. Alle zwölf riefen
zu Bors runter und bettelten um Gnade und weinten vor Kummer. – Ich kann Euch
sagen: mein Bruder steckte ganz schön in der Klemme. Die armen Dinger hatten
solche Angst und waren so schön, und er brauchte bloß seine Halsstarrigkeit
aufzugeben, um ihnen das Leben zu retten.«
    »Was
hat er getan?«
    »Er
hat sie springen lassen.«
    »Eine
Schande!« rief die Königin.
    »Ach,
das war doch nur eine Bande von Teufelinnen. Der ganze Turm stellte sich
sogleich auf den Kopf und verschwand, und es ergab sich, daß sie die ganze Zeit
unwirklich gewesen waren, den Priester einbegriffen.«
    »Ich
vermute«, sagte Arthur, »die Moral ist, daß man nicht sündigen darf, auch wenn
zwölf Menschenleben davon abhängen. Dogmatisch gesprochen: ich glaube, daran
ist etwas.«
    »Ich
habe von Dogma keine Ahnung, aber ich weiß, daß mein Bruder fast graue Haare
davon gekriegt hat.«
    »Und
das mit gutem Grund. Welches war die vierte Versuchung, falls es noch eine
gab?«
    »Die
vierte war ich, und das war die letzte Hürde. In der Abtei bin ich wieder zu
mir gekommen, wo ich beerdigt werden sollte, und als ich wieder ziemlich
wohlauf war, bin ich losgeritten, ihn zu suchen. Jetzt tut’s mir leid –
nebenbei bemerkt: ich muß Euch für ein paar Dinge um Vergebung bitten – , aber
wenn man’s recht bedenkt, dann ist es doch ziemlich hart, daß einen der eigene
Bruder im Stiche läßt, wenn man zu Tode geprügelt wird. Da ist man am Abkratzen
und versteht nicht, was zu der Zeit mit Bors los ist; und eh’ ich das
Bewußtsein verlor, sah ich, wie er mich meinem Schicksal überließ – na ja, ich
gebe zu, daß ich ganz schön verbiestert war. Sagen wir’s ruhig: ich war
fuchsteufelswild. – Ich entdeckte Bors in einer Kapelle im Wald, und ich habe
ihm gleich gesagt, daß ich ihn umbringen würde. Ich hab’ gesagt: ›Ich werd’ dir
tun wie einem Verbrecher oder Verräter, denn du bist der treuloseste Ritter,
der je solch achtbarem Hause entsproß.‹ Bors weigerte sich zu kämpfen. Ich hab’
gesagt: ›Wenn du nicht kämpfst, töte ich dich stehenden Fußes.‹ Bors sagte, er
könne doch nicht gegen seinen eigenen und leibhaftigen Bruder kämpfen. Er
sagte, er dürfe nicht mal gewöhnliche Kerls auf der Grals-Queste töten – wie
also dann seinen Bruder? Ich hab’ gesagt: ›Mir ist es völlig einerlei, was du
darfst oder was du nicht darfst. Wenn du dich verteidigen möchtest, werde ich
mit dir kämpfen; wenn nicht, werde ich dich auch so töten.‹ Ich war wütend.
Bors kniete einfach nieder und bat um Gnade. – Jetzt seh’ ich ja ein«, fuhr er
fort, »daß Bors’ Handlungsweise richtig war. Er war hinter dem Gral

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