Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
Vom Netzwerk:
Ector und all die andern vom rechten
Weg abkamen, weil wir am Anfang nicht zur Beichte gegangen waren. Bors hat
gebeichtet, am ersten Tag, und er hat auch eine Buße auf sich genommen. Er hat
sich verpflichtet, nur von Brot und Wasser zu leben und ein Gewand zu tragen
und auf der Erde zu schlafen. Natürlich war nichts mit der holden Weiblichkeit
– aber das hatte er ja überhaupt erst einmal. Das war seine Schwierigkeit. Na
ja, das erste, was geschah, nachdem er sein Leben in Ordnung gebracht hatte: er
fing an, Visionen zu haben. Er sah den Pelikan voll frommen Opfermuts und einen
Schwan und einen Raben und verfaultes Holz und ein paar Blumen. Das hatte alles
mit seiner Theologie zu tun, und er hat’s mir auch erklärt, aber ich weiß es nicht
mehr. Als nächstes widerfuhr ihm, daß ihn eine Dame anflehte, er möge sie aus
der Gewalt eines Ritters mit Namen Sir Pridam erretten. Die Dame hat er
gerettet, und er hatte Gelegenheit, Sir Pridam zu töten. Denkt Euch! Er hat mir
die Geschichte nach unserm Kampf erzählt, und er war felsenfest davon
überzeugt, dies sei seine erste Versuchung gewesen. Er sagte, er fühle sich wie
ein Springpferd, das jedesmal höher springen müsse, und er habe Angst, in den
Stall zurückgeholt zu werden, wenn er einen Sprung verpatze. Wenn er Sir Pridam
getötet hätte, war’s mit ihm zu Ende gewesen. Sie hätten ihn wieder auf die
Weide getrieben, genau wie Gawaine und uns andere. Er sagte, niemand habe ihm
das gesagt – die Sprünge tauchten plötzlich vor ihm auf, und es sei, als sähe
jemand zu, jemand, der weder hilft noch hindert, sondern nur zusieht, ob er
drüberkäme. Nun ja, er hat Pridam nicht getötet. Er hat ihn bloß angepfiffen,
daß er aufgeben solle, und hat ihn mit der flachen Klinge ins Gesicht
geschlagen, bis er sich ergeben hat. Und der Sprung war geschafft. Meint Ihr,
König, es könnte an dieser Queste etwas gewesen sein, was gegen das Töten ist?
Wißt Ihr – so irgendeine Art von übernatürlichem ›Nein‹?«
    »Ich
glaube, Ihr seid ein kluger Mann, Lionel«, sagte der König, »auch wenn Ihr
versucht habt, Euern Bruder zu töten. Fahrt mit der Geschichte fort.«
    »Na
ja, die nächste Versuchung hatte mit mir zu tun. Das war der Grund, weshalb ich
versucht habe, ihn zu töten. Jetzt tut’s mir leid. Ist mir eben erst
klargeworden, daß es mir leid tut. Damals habe ich’s nicht verstanden.«
    »Wie
sah denn die zweite Versuchung aus?«
    »Bors
und ich, wir haben uns immer gemocht, wie Ihr wißt. Diese Händelei hatte nichts
zu bedeuten. Wir haben uns immer auf unsere Weise geliebt, und Bors ritt durch
den Wald, als er sich plötzlich zwei Erscheinungen gegenüber sah. Die eine war
ich, nackicht auf einen Klepper gebunden, mit einem Ritter zur Rechten wie zur
Linken, und die beiden schlugen mit Ruten auf mich ein. Die andere war eine
Jungfer, die vor einem Ritter floh, der sie in gestrecktem Galopp verfolgte,
weil es ihn nach ihrer Jungfernschaft gelüstete. Die beiden Konvois bewegten
sich in entgegengesetzte Richtungen, und Bors war allein.
    Wenn
ich’s mir recht überlege«, bemerkte Sir Lionel klagend, »so hab’ ich was
dagegen, ausgepeitscht zu werden. Ich hatt’s schon mal von Sir Turquine
gekriegt.«
    »Wofür
hat Bors sich entschieden?«
    »Er
entschied sich, die Maid zu retten. Als ich ihn hinterher fragte – später,
während unseres Kampfes – , was er, zum Teufel, sich dabei gedacht habe, seinen
eigenen Bruder im Stich zu lassen, da hat er mir erklärt, er hätte mich zwar
sehr gern, aber aus mir würde ohnehin nur ein Schweinehund, während die Maid
schließlich eine Jungfer sei. Also hätte er sich dem bessern Teil gegenüber
verpflichtet gefühlt. Das war’s, weshalb ich ihn umbringen wollte. – Aber
jetzt«, fügte Lionel hinzu, »versteh’ ich seinen Standpunkt. Ich sehe jetzt,
daß es seine zweite Versuchung war, und das muß eine schwierige Entscheidung
gewesen sein.«
    »Armer
Bors. Hoffentlich hat er’s nicht gar so übel aufgenommen.«
    »Er
war richtig demütig. Diese Versuchungen tauchten einfach auf, und er stellte
irgendeine Vermutung an, wobei er gewöhnlich dachte, er habe falsch getippt –
und am Ende war er ganz verwirrt und stellte fest, daß er richtig geraten
hatte. Na, er hat sich nach bestem Vermögen durchgeschlagen.«
    »Und
wie sah die dritte Versuchung aus?«
    »Sie
wurden immer schlimmer. In der dritten Versuchung kam ein Mann zu ihm, der als
Priester gewandet war, und der erzählte, daß sich da auf einer

Weitere Kostenlose Bücher