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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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der Tafel aus. Wir müssen schnellstens heim.«
    »Kanonen gegen Menschen einzusetzen!«
    »Wir müssen ihr sogleich zu Hilfe eilen,
Hochwürden. Gawaine kann hierbleiben…«
    Doch der Laird of Orkney war bereits aus
dem Bett.
    »Gawaine, was soll das? Legt Euch sofort
wieder hin.«
    »Ich komme mit.«
    »Gawaine, legt Euch hin. Rochester, helft
mir.«
    »Mein letzter Bruder hat seine Lehnstreue
gebrochen.«
    »Gawaine…«
    »Und Lanzelot… – O Gott, mein Kopf!«
    Schwankend stand er im trüben
Laternenlicht und hielt seinen Verband mit beiden Händen, während sein Schatten
sich grotesk um den Zeltmast drehte.
     
     
     
    KAPITEL 13
     
     
    Anguish of Ireland hatte einst von einem
Sturmwind geträumt, der all seine Burgen und Städte hinwegwehen würde – und
dieser nun tat alles, um den Traum in die Tat umzusetzen. Er brauste um Burg
Benwick mit dem Tutti sämtlicher Orgelregister. Das rauschte, als würden
unausdenkbare Mengen von Seide durch Bäume gezerrt; rauschte, als rönne Sand
von einer Riesenschaufel herab auf feinen Sand. Das ratschte, als würden
gigantische Laken in Fetzen zerrissen, rollte und grollte wie Trommeln in
fernem Kampf, raschelte wie eine endlose Schlange, die sich durchs
Weltunterholz der Bäume und Häuser windet. Es klang wie das Seufzen alter Männer,
wie das Greinen von Weibern, wie das Gerenne eines Rudels von Wölfen. Es pfiff,
summte, schluchzte, dröhnte in den Kaminen. Vor allem aber klang es wie ein
lebendiges Wesen: wie ein monströses Elementargeschöpf, das seine Verdammnis
beklagt. Es war Dantes Sturm, der verlorene Liebende und Kraniche wirbelnd in
die Ferne entführt: Satan ohne Sabbat, ruhlos sich plagend und rumorend.
    Auf dem westlichen Ozean marterte er das
Meer, hob Wogenberge aus dem Wasser und trug sie als stiebenden Schaum davon.
Auf dem trockenen Lande beugte und brach er die Bäume. Die verkrüppelten
Dornbüsche, doppelstämmig gewachsen, rieben sich stöhnend und krächzend
aneinander. Im Peitschen und Pfeifen der Zweige streckten die Vögel ihre
Schädel gegen den Wind, die Körper waagrecht geduckt, die Krallen in Anker
verwandelt. Die Wanderfalken hockten stoisch in den Kliffs; ihre Backenbärte
waren vom Regen streifig geworden, und ihr Kopfgefieder stand in die Höhe. Die
Wildgänse, die in der Dämmerung ihre Rastplätze suchten, ruderten mühsam gegen
die rasche Strömung der Luft; ihre wilden Schreie wurden ihnen nach rückwärts
entrissen, so daß die Tiere schon vorbei waren, wenn man sie hörte, obgleich
sie dicht über dem Boden flogen. Die Stockenten und Pfeifenten, die hoch vor
dem Winde sich treiben ließen, waren weg, noch ehe sie angekommen waren.
    Böen stoben unter den Türen der Burg
hindurch und trieben mit flatternd flüchtenden Binsenmatten ein grausames
Spiel. Sie randalierten in den Röhren der Wendeltreppen, rüttelten an den
hölzernen Läden, jagten mit Gejaul durch die Schießscharten, brachten die
fröstelnden Tapisserien in Wallung, drangen eisig ins Knochenmark. Die
steinernen Türme erbebten unter ihnen, leibhaftig vibrierend, wie die Baßsaiten
von Musikinstrumenten. Die Schieferplatten flogen fort und zerschellten
krachend.
    Bors und Bleoberis beugten sich über ein
loderndes Feuer, dem der bitterkalte Wind die Besonderheit verliehen zu haben
schien, daß es Helligkeit verbreitete ohne Hitze. Selbst das Feuer schien
gefroren, als wären’s gemalte Flammen. Beider Gemüt war beirrt vom Toben der
Luft.
    »Aber weshalb sind sie so geschwind
abgezogen?« fragte Bors vorwurfsvoll. »Ich habe noch nie erlebt, daß eine
Belagerung auf diese Weise aufgehoben wurde. Über Nacht haben Sie’s aufgegeben.
Sie sind fort, als wären sie weggeblasen.«
    »Sie müssen schlechte Nachrichten bekommen
haben. In England muß was schiefgegangen sein.«
    »Vielleicht.«
    »Wenn sie sich entschlossen hätten,
Lanzelot zu vergeben, dann hätten sie eine Botschaft gesandt.«
    »Sonderbar, daß sie auf einmal abziehen,
ohne auch nur ein Wort zu sagen.«
    »Glaubst du, es könnte in Cornwall eine
Revolte gegeben haben? Oder in Wales? Oder in Irland?«
    »Da sind immer noch die ›Alten‹«, sagte
Bleoberis zustimmend.
    »Ich glaub’ nicht, daß es eine Revolte
ist. Ich glaub’ eher: der König ist erkrankt und mußte rasch heimgebracht
werden. Oder vielleicht ist Gawaine krank geworden. Der Schlag, den Lanzelot
ihm beim zweiten Mal versetzt hat – vielleicht hat der seinem Gehirnkasten
Schaden zugefügt?«
    »Vielleicht.«
    Bors trat gegen

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