Der König auf Camelot
an einem
Gestell im Hintergrund. Ein ungezogener Falke, der das Zetern nicht lassen
wollte, stand behaubt und reglos auf einer Stange, als war’s ein Papagei, und
dämmerte vor sich hin, bedrückt von einem uralten Albtraum. Ein Windhund, weiß
wie Elfenbein, kauerte auf Hachsen und Ellbeugen, den Schwanz nach Windhundart
zur knöchernen Sichel gebogen, und beobachtete den alten Herrn mit den
rehsanften Augen des Mitgefühls. Ein herrlich emaillierter Schachtisch mit
Figuren aus Jaspis und Kristall befand sich neben dem Bett und präsentierte ein
Schachmatt. Überall lagen Papiere. Sie bedeckten den Sekretärstisch, das
Lesepult, die Hocker – öde Papiere der Regierungsarbeit, die mit zäher
Beharrlichkeit noch immer geleistet wurde; Gesetzestexte, die noch kodifiziert
werden mußten; Berichte über Verpflegung und Bewaffnung; Anweisungen und
Tagesbefehle. Ein großes Hauptbuch war aufgeschlagen; die Eintragung auf der
freiliegenden Seite betraf einen armen Delinquenten, William atte Lane, der
wegen Plünderns zum Erhängen verurteilt worden war: suspendatur. Am
Rande war, in der adretten Handschrift des Sekretärs, der lakonische Nachruf susp. angebracht – lakonisch, wie es die traurige Sache erfordert. Auf dem
Lesepult stapelten sich Petitionen und Denkschriften, alle mit der königlichen
Entscheidung und Signatur versehen. Die vom König genehmigten Eingaben trugen
die Bemerkung: Le roy le veult; auf den abgelehnten war die höfliche,
von Herrschern allezeit verwendete Ausweichfloskel zu lesen: Le roy
s’advisera. Das Lesepult und der dazugehörige Sitz waren aus einem Stück
gemacht, und hier saß der König selber, in sich zusammengesunken. Sein Kopf lag
zwischen den Papieren, die in Unordnung geraten waren. Es sah aus, als sei er
tot – und fast war er’s.
Arthur war erschöpft. Er war gebrochen
durch die beiden Schlachten, die er bereits geschlagen hatte: die bei Dover und
die andere bei Barham Down. Seine Frau war gefangen. Sein ältester Freund war
verbannt. Sein Sohn trachtete ihm nach dem Leben. Gawaine war beerdigt. Seine
Tafelrunde war auseinandergebrochen. Sein Land befand sich im Krieg. Und doch hätte
er mit all diesen Dingen auf irgendeine Weise fertigwerden können, wenn nicht die Grundhaltung
seines Lebens zerstört worden wäre. Vor langer Zeit, als er ein munterer Knabe
mit dem Spitznahmen Wart – »die Warze« – gewesen war, da hatte ihn ein betagter
Herr mit wehendem weißen Bart wohlwollend in die Lehre genommen. Merlin hatte
ihn gelehrt, daß der Mensch vervollkommnet werden könne; daß er, aufs Ganze
gesehen, eher anständig als bestialisch sei; daß es drauf ankomme, das Gute zu
erstreben; daß es so etwas wie Ursünde nicht gebe. Er war zu einer Waffe
geschmiedet worden, die dem Menschen dienlich sein sollte, auf Grund der
Überzeugung, daß die Menschen gut seien. Er war von jenem versponnenen alten
Lehrmeister so erzogen worden, als ob aus ihm ein Pasteur oder Curie oder der
geduldige Entdecker des Insulins hätte werden sollen. Der Dienst, für den er
bestimmt worden war, galt dem Kampf gegen die Gewalt, die Geisteskrankheit der
Menschheit. Seine Tafel, seine Idee der Ritterlichkeit, sein Heiliger Gral,
seine Hingabe an die Gerechtigkeit – das waren Schritte gewesen, die ihn dem
gewiesenen Ziel näherbringen sollten. Er glich einem Forscher, der sein Leben
lang dem Erreger des Krebses nachspürt. Es ging um die Macht, der Macht ein
Ende zu bereiten – die Menschen glücklicher zu machen. Doch das ganze
Unterfangen beruhte auf der Voraussetzung, daß der Mensch im Grunde ganz
annehmbar sei.
Blickte er auf sein Leben zurück, schien
es ihm, als habe er sich die ganze Zeit abgezappelt, eine Flut einzudämmen,
die, sobald er sie unter Kontrolle gebracht hatte, stets an einer neuen Stelle
durchbrach, so daß er wieder von vorn anfangen mußte. Es war die Flut der Force
Majeure. In der frühesten Zeit, vor seiner Heirat, hatte er versucht, durch
Gewalt mit der Gewalt fertigzuwerden – bei seinen Kämpfen gegen die gälische
Konföderation – , und hatte doch nur entdeckt, daß aus doppeltem Unrecht kein
Recht wird. Aber es war ihm gelungen, den Traum vom feudalen Kriegsspiel zu zerschlagen.
Mit seiner Tafelrunde dann hatte er den Versuch unternommen, weniger schlimme
Spielarten der Gewaltherrschaft vor seinen Karren zu spannen, so daß ihre Kraft
zu nützlichen Zwecken verwendet werden konnte. Er hatte die Männer der Macht
ausgesandt, die Unterdrückten zu befreien und
Weitere Kostenlose Bücher