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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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geschrieben, daß die Schreibkunst ihre
Schönheit behalten hatte. Es war die Schrift einer alten Jungfer, oder die
eines jungen Burschen von einst, der auf seinem Schemel hockt, die Füße um die
Stuhlbeine gehakt, die Zunge zwischen den Zähnen, ganz dem Schreiben
hingegeben. Diese unschuldige Präzision, diese zarten, aus der Mode geratenen
Bögen hatte er sich, trotz Elend, Leid und Leidenschaft, bis ins hohe Alter
bewahrt. Es war, als sei ein heller Junge aus der schwarzen Rüstung getreten:
ein kleiner Junge mit einem Tropfen an der Nasenspitze, barfüßig und mit
bläulichen Zehen.
     
    An Sir Lanzelot, den Größten aller edlen
Ritter, welche ich zeit meines Lebens jemalen gesehen oder von welchen ich
gehört habe: Ich, Sir Gawaine, Sohn König Lots von Orkney, Schwestersohn dem
edlen König Arthur, sende Euch Grüße.
    Und ich will, daß alle Welt soll wissen,
daß ich, Sir Gawaine, Ritter der Tafelrunde, sucht’ meinen Tod durch Eure Hände – und nicht als Euer
Verdienst, sondern als mein eigen Begehr. Weshalb ich Euch, Sir Lanzelot,
ersuche, in dies Reich zurückzukehren und mein Grab zu sehen und zu beten ein
Gebet oder zween für meine Seele.
    Und dieses selbigen Tages, da ich diesen
Zettel geschrieben, bin ich zum Tode verwundet worden in der selbigen Wunde,
die ich empfangen hatte von Eurer Hand, Sir Lanzelot – denn von keinem edleren Manne könnt’
ich geschlagen sein.
    Auch, Sir Lanzelot, bei all der Liebe, die
jemalen zwischen uns gewesen…
     
    Lanzelot hörte auf zu lesen und warf den
Brief auf den Tisch.
    »Hier«, sagte er. »Ich kann nicht
weiterlesen. Er bittet mich dringend, sofort zu kommen, um dem König gegen
seinen Bruder zu helfen: seinen letzten Anverwandten. Gawaine hat seine Familie
geliebt, Bors, und am Ende bleibt er alleine zurück. Trotzdem hat er
geschrieben, daß er mir verzeiht. Er hat sogar gesagt, es sei seine eigene
Schuld. Gott weiß: er war ein richtig guter Bruder.«
    »Was sollen wir wegen des Königs
unternehmen?«
    »Wir müssen so schnell wie möglich nach
England. Mordred hat sich nach Canterbury zurückgezogen, wo er sich neu zur
Schlacht stellen will. Vielleicht ist sie jetzt schon vorbei. Die Nachrichten
sind verspätet eingetroffen wegen des Sturms. Jetzt hängt alles von unsrer Eile
ab.«
    Bleoberis sagte: »Ich werde gehn und nach
den Pferden sehn. Wann segeln wir los?«
    »Morgen. Heute abend. Jetzt. Sobald der
Sturm sich legt. Beeilt Euch.«
    »Gut.«
    »Und Ihr, Bors: die Fourage.«
    »Ja.«
    Lanzelot folgte Bleoberis zur Treppe,
wandte sich jedoch unter der Türe um.
    »Die Königin belagert«, sagte er. »Wir
müssen sie heraushauen.«
    »Ja.«
    Bors, alleingelassen mit dem Wind, hob den
Brief neugierig auf. Er neigte ihn im schwindenden Licht und bewunderte das dem
›z‹ ähnliche ›g‹, das gekräuselte ›b‹ und das kurvige, einer Pflugschar
gleichende ›t‹. Jede dünne Zeile war eine Ackerfurche, duftend wie frisch
aufgebrochene Erde. Aber die Furche wanderte dem Ende entgegen. Er drehte den
Brief um und betrachtete die braune Unterschrift. Er entzifferte den letzten
Satz und machte Sprechbewegungen mit seinem Munde – indes die Binsenmatten
klatschten und der Rauch paffte und der Wind jaulte.
     
    Und diesen Tages ist mein Brief
geschrieben, gegen zwei Stunden und eine halbe vor meinem Tode, geschrieben mit
meiner eignen Hand und also unterschrieben mit Tropfen meines Herzbluts.

Gawaine of Orkney
     
    Zweimal sprach er den Namen aus und
klopfte sich an die Zähne: Gawaine. »Ich glaube«, sagte er laut, »im Norden
werden sie’s wie Cuchullain ausgesprochen haben, oder so ähnlich. Bei den alten
Sprachen weiß man ja nie, woran man ist.«
    Dann legte er den Brief nieder, ging zu
dem düsteren Fenster hinüber und summte eine Melodie, die man Brume, brume
on hil nennt und deren Worte längst im Wogengang der Zeit versunken sind.
Vielleicht lauteten sie so ähnlich wie das neuere Lied, in dem es heißt:
     
    Stark ist noch das Blut, das Herze
Hochland,
    Und träumend sehn wir die Hebriden
     
     
    .

KAPITEL 14
     
     
    Derselbe wütende Klagewind umkreischte das
Königszelt zu Salisbury. Drinnen herrschte tiefe Stille, im Gegensatz zu dem
Getöse draußen. Es war ein prächtiges Interieur, dank den königlichen Gobelins
– Uria wurde noch immer halbiert – , dank der Liegestatt, die üppig mit
Pelzwerk bedeckt war, und dank dem Lichterglanz der Kerzen. Es war eher ein
Pavillon denn ein Zelt. Des Königs Kettenpanzer schimmerte matt

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