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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Hausgänsen degeneriert, um einen Leckerbissen zu gewinnen; der
den Rindern die Hörner absägt, um ihren Transport zu erleichtern; der
Goldfinken mit Nadeln blendet, um sie zum Singen zu bringen; der Hummer und
Krabben lebend kocht, obwohl er ihre pfeifenden Schreie hört, der sich im Krieg
gegen seine eigene Spezies wendet und in jedem Jahrhundert neunzehn Millionen
tötet; der öffentlich seine Mitmenschen ermordet, wenn er sie zu Verbrechern
erklärt hat; und der eine Methode erfunden hat, seine eigenen Kinder mit einem
Stock zu quälen oder sie in Schulen genannte Konzentrationslager zu schicken,
wo die Folter von Stellvertretern angewandt werden kann… Ja, Eure Frage ist
berechtigt, ob der Mensch korrekterweise als ferox bezeichnet werden
kann, denn gewiß sollte das Wort, das eigentlich wildes Leben unter anständigen
Tieren meint, nie auf ein solches Wesen angewandt werden.«
    »Du meine Güte«,
sagte der König. »Ihr scheint zu übertreiben.«
    Doch der alte
Magier ließ sich nicht besänftigen.
    »Der Grund«,
sagte er, »für unsere Zweifel gegenüber dem Gebrauch von ferox war, daß
Archimedes stultus als passender vorschlug.«
    » Stultus? Ich dachte, wir seien intelligent?«
    »In einem der
unglückseligen Kriege, die ich als jüngerer Mann erlebte«, sagte der Magier und
holte tief Luft, »wurde es als notwendig erachtet, an das Volk von England
gedruckte Karten auszugeben, die einen Anspruch auf Nahrung bedeuteten. Diese
Karten mußten mit der Hand ausgefüllt werden, bevor die Nahrung gekauft werden
konnte. Jedes Individuum mußte auf einen Teil der Karte eine Nummer schreiben,
auf einen anderen Teil seinen Namen und auf einen dritten den Namen des Nahrungsgebers.
Es mußte diese drei intellektuellen Aufgaben erfüllen – eine Nummer und zwei
Namen –, sonst bekam es keine Nahrung und konnte nur verhungern. Sein Leben
hing von dieser Handlung ab. Soweit ich mich erinnere, wurde letzten Endes
festgestellt, daß zwei Drittel der Bevölkerung unfähig waren, diese Aufgabe
fehlerlos auszuführen. Und diesen Menschen werden, wie uns die katholische
Kirche sagt, unsterbliche Seelen anvertraut!«
    »Seid Ihr Euch
der Tatsachen sicher?« fragte der Dachs zweifelnd. Der alte Mann hatte den
Anstand zu erröten. »Ich habe sie nicht aufgeschrieben«, sagte er, »aber sie
stimmen, wenn nicht in den Einzelheiten, so doch im wesentlichen. Ich erinnere
mich zum Beispiel deutlich, daß im selben Krieg eine Frau in einer Schlange um Vogelfutter
anstand, die auf Befragung zugab, gar keine Vögel zu besitzen.«
    Artur
widersprach.
    »Das beweist
nicht viel, selbst wenn sie unfähig waren, ihre drei Dinge richtig zu
schreiben. Hätten sie zu den anderen Tieren gehört, dann hätten sie überhaupt
nicht schreiben können.«
    »Die kurze Antwort darauf ist«, entgegnete der
Philosoph, »daß kein einziger Mensch mit seiner Nase ein Loch in eine Eichel
bohren kann.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Nun, das Insekt, das Balaninus elephas genannt wird, kann Eicheln auf diese Weise anbohren, aber es kann nicht
schreiben. Der Mensch kann schreiben, aber er kann keine Eicheln aufbohren. Das
sind ihre eigenen Spezialisierungen. Der wichtige Unterschied ist jedoch, daß Balaninus seine Löcher mit größter Tüchtigkeit bohrt, während der Mensch, wie ich erklärt
habe, beim Schreiben überhaupt nicht tüchtig ist. Deshalb behaupte ich, daß,
Spezies um Spezies betrachtet, der Mensch untüchtiger ist, mehr stultus ,
als die anderen Tiere. Tatsächlich würde kein aufmerksamer Beobachter das
Gegenteil erwarten. Der Mensch befindet sich erst seit so kurzer Zeit auf
unserer Erdkugel, daß man von ihm kaum erwarten kann, viel gemeistert zu
haben.«
    Der König stellte fest, daß er allmählich
deprimiert wurde. »Sind Euch viele andere Namen eingefallen?« fragte er. »Es
gab einen dritten Vorschlag vom Dachs.«
    Bei dieser Feststellung scharrte der glückliche
Dachs mit den Füßen vor Zufriedenheit, schielte über den Rand seiner Brille auf
die Gesellschaft und betrachtete prüfend seine langen Nägel. » Impoliticus «,
sagte Merlin. » Homo impoliticus . Ihr erinnert Euch, daß Aristoteles uns
als politische Tiere definierte. Dachs hat vorgeschlagen, das nachzuprüfen, und
nachdem wir die menschliche Politik untersucht hatten, schien impoliticus das einzig passende Wort zu sein.«
    »Fahrt fort, wenn Ihr müßt.«
    »Wir stellten fest, daß Homo ferox politische Vorstellungen von zweierlei Art hat: Probleme könnten entweder

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