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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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durch
Gewalt gelöst werden oder durch Argumente. Die Ameisen-Menschen der Zukunft,
die an Gewalt glauben, sind der Ansicht, man bestimmt, ob zwei mal zwei vier
ist, indem man alle niederschlägt, die widersprechen. Die Demokraten, die an
das Argument glauben müssen, gestehen allen Menschen eine Meinung zu, weil alle
gleich geboren seien – ›Ich bin so gut wie alle anderen‹ ist die erste
instinktive Äußerung des Menschen, der das nicht ist.«
    »Wenn man sich weder auf Gewalt noch auf das
Argument verlassen kann«, sagte der König, »weiß ich nicht, was man tun soll.«
    »Weder Gewalt noch Argument noch Meinung«, sagte Merlin
mit größter Aufrichtigkeit, »sind mit dem Denken gleichzusetzen. Das Argument
ist lediglich eine Entfaltung geistiger Gewalt, da wird mit Beweisgründen gefochten,
um einen Sieg zu erreichen und nicht die Wahrheit. Meinungen sind die
Sackgassen fauler oder dummer Menschen, die nicht denken können. Wenn je ein
echter Politiker ein Thema wirklich leidenschaftslos durchdenkt, ist sogar Homo
stultus gezwungen, seine Ergebnisse letzten Endes anzuerkennen. Die Meinung
ist der Wahrheit nie gewachsen. Gegenwärtig gibt sich Homo impoliticus allerdings damit zufrieden, entweder mit Meinungen zu argumentieren oder mit
seinen Fäusten zu kämpfen, statt auf die Wahrheit in seinem Kopf zu warten. Es
wird noch eine Million Jahre dauern, bevor man die Masse der Menschen als
politische Tiere bezeichnen kann.«
    »Was sind wir dann zur Zeit?«
    »Nach unseren Feststellungen setzen sich zur Zeit
je hundert Vertreter der menschlichen Kasse politisch aus einem Weisen, neun
Schurken und neunzig Toren zusammen. Das sind die Feststellungen eines
optimistischen Beobachters. Die neun Schurken versammeln sich unter dem Banner
des Schurkischsten und werden ›Politiker‹; der Weise macht nicht mit, weil er
weiß, daß er eine hoffnungslose Minderheit ist, und widmet sich der Poesie, der
Mathematik oder der Philosophie; die neunzig Toren trotten derweil hinter den
Fahnen der neun Schurken je nach Neigung in die Labyrinthe des Betrugs, der
Bosheit und der Kriege. Sancho Panza hat festgestellt, es sei angenehm, auch
nur eine Schafherde zu kommandieren, und deshalb erheben die Politiker ihre
Banner. Darüber hinaus ist es für die Schafe gleichgültig, was auf dem Banner
steht. Ist es Demokratie, dann werden die neun Schurken Abgeordnete; ist es
Faschismus, werden sie Parteiführer; ist es Kommunismus« werden sie Kommissare.
Nichts ist anders außer den Namen. Die Toren sind immer noch Toren, die
Schurken immer noch Führer, das Ergebnis ist immer noch Ausbeutung.
    Was den Weisen angeht, so ist sein Los unter jeder
Ideologie so ziemlich das gleiche. In der Demokratie wird man ihn ermuntern, in
einer Dachkammer zu verhungern, im Faschismus steckt man ihn in ein
Konzentrationslager, im Kommunismus wird er liquidiert. Das ist eine
optimistische, aber insgesamt wissenschaftliche Feststellung über die
Gepflogenheiten des Homo impoliticus .
    Der König sagte finster: »Nun, es tut mir leid. Ich
glaube, ich gehe besser und ertränke mich. Ich bin dreist, unbedeutend,
grausam, dumm und unpolitisch. Da lohnt es sich kaum, weiterzumachen.«
    Doch das schien die Tiere sehr aus der Fassung zu
bringen. Sie erhoben sich wie ein Mann, stellten sich um ihn, fächelten ihm
Kühlung und boten ihm etwas zu trinken an.
    »Nein«, sagten sie. »Wirklich, wir wollten nicht
unhöflich sein. Ehrlich, wir wollten helfen. Nehmt es doch nicht so schwer. Wir
sind überzeugt, daß es viele Menschen gibt, die sapiens sind und kein
bißchen grausam. Wir wollten Euch mit diesen Informationen eine Art Basis
geben, auf der es später leichter wäre, das Rätsel zu lösen. Kommt, trinkt ein
Glas Madeira und denkt nicht mehr daran. Wirklich, wir halten den Menschen für
das herrlichste Geschöpf überhaupt, für das Beste, was es gibt.«
    Und sie wandten sich erzürnt an Merlin und sagten:
»Jetzt seht nur, was Ihr angerichtet habt! Das kommt von Eurem Gequassel und
Geschwätz! Der arme König ist ganz unglücklich, und alles nur, weil Ihr Euch
wichtig macht und übertreibt und schwafelt wie ein Einfaltspinsel!«
    Merlin entgegnete nur: »Selbst die griechische
Definition anthropos . Der, welcher aufschaut, ist unrichtig. Nach der
Adoleszenz schaut der Mensch nur selten höher, als er selber ist.«
     
     
     
     
    KAPITEL 6
     
     
    Der neue Arthur, der geölte
Riegel, wurde so lange gehätschelt, bis er wieder guter Laune war; doch

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