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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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sofort
beging er den Fehler, die Diskussion um das Thema erneut zu eröffnen,
    »Sicher«, sagte er, »sind doch die freundlichen
Neigungen der Menschen, ihre Liebe und ihr Heldentum und ihre Geduld
anerkennenswert?«
    Sein Lehrmeister war durch die Schelte, die er
bekommen hatte, nicht aus der Fassung gebracht worden. Erfreut nahm er die
Herausforderung an.
    »Glaubt Ihr etwa«, fragte er, »daß die anderen
Tiere keine Liebe oder Heldentum oder Geduld kennen – oder, was wichtiger ist,
keine kooperative Zuneigung? Das Liebesleben der Raben, das Heldentum der
Wiesel, die Geduld kleiner Vögel, die einen Kuckuck aufziehen, die kooperative
Liebe der Bienen – alle diese Dinge zeigen sich wesentlich vollkommener in der
übrigen Natur als beim Menschen.«
    »Aber sicher«, fragte der König, »hat der Mensch
doch irgendeinen anerkennenswerten Zug?«
    Daraufhin gab der Magier nach.
    »Ich neige zu der Annahme«, sagte er, »daß es
vielleicht einen gibt. Und ich erwähne ihn, so unbedeutend und kindlich er auch
scheinen mag, trotz der gelehrten Abhandlungen dieses Burschen
Chalmer-Mitchell. Ich meine die Beziehung des Menschen zu seinen Haustieren. In
manchen Haushalten gibt es Hunde, die weder zum Jagen noch zum Bewachen taugen,
und Katzen, die sich weigern, Mäuse zu fangen; dennoch werden sie von ihren
menschlichen Gefährten trotz ihrer Nutzlosigkeit und der Mühe, die sie machen,
mit einer Art nachsichtiger Zuneigung behandelt. Ich kann nicht umhin, jede
Handlung der Liebe, die platonisch ist und nicht im Austausch für andere Annehmlichkeiten
geschieht, bemerkenswert zu finden. Einst kannte ich einen Esel, der mit einem
Pferd gleichen Geschlechts auf einer Wiese lebte. Sie hingen sehr aneinander,
obwohl offensichtlich keiner dem anderen einen materiellen Nutzen bieten
konnte. In gewissen Fällen besteht diese Beziehung, so kommt es mir vor, in
einem beachtlichen Ausmaß zwischen Homo ferox und seinen Hunden. Doch
sie besteht auch bei den Ameisen, also brauchen wir ihr nicht zuviel Bedeutung
zuzumessen.« Ziege bemerkte hinterhältig: »Parasiten.«
    Darauf sprang Cavall vom Schoß seines Herrn, und er
und der neue König gingen steifbeinig zu der Ziege hinüber. Cavall benutzte zum
ersten und zum letzten Mal in seinem langen Leben im Gleichklang mit seinem
Herrn die menschliche Sprache. Seine Stimme hörte sich an wie die eines
Teutonen, der durch einen Schalltrichter spricht.
    »Hast du Parasiten gesagt?« fragten sie. »Sag das
bloß noch einmal, und wir hauen dich auf den Kopf.«
    Die Ziege betrachtete sie belustigt und liebevoll,
doch sie wollte keinen Streit,
    »Wenn Ihr mich auf den Kopf haut«, sagte sie,
»bekommt Ihr blutige Knöchel. Außerdem nehme ich es zurück.«
    Sie setzten sich wieder, und der König gratulierte
sich insgeheim dazu, jedenfalls doch etwas Gutes in seinem Herzen zu haben.
Cavall dachte offenbar das gleiche, denn er leckte ihm die Nase.
    »Ich kann nicht verstehen«, sagte Arthur, »warum
Ihr Euch die Mühe macht, über den Menschen und seine Probleme nachzudenken und
zu beraten, wenn das einzig Anständige an ihm die An ist, wie er mit ein paar
Haustieren umgeht. Warum überlaßt Ihr ihn nicht einfach seinem Schicksal, sich
selbst auszurotten?«
    Das war ein neues Problem für das Komitee.
Schweigend dachten sie darüber nach, hielten die Mahagonifächer zwischen ihre
Gesichter und das Kaminfeuer und betrachteten die Spiegelung der Flammen im
rauchigen Braun des Madeira.
    »Weil wir Euch lieben, König, Euch selbst«, sagte
Archimedes schließlich.
    Das war das schönste Kompliment, das er je bekommen
hatte.
    »Weil das Geschöpf jung ist«, sagte die Ziege.
»Jungen und hilflosen Geschöpfen will man instinktiv beistehen.«
    »Weil Helfen sowieso was Gutes ist«, sagte T.
natrix.
    »Es ist etwas Wichtiges an der Menschheit«, sagte
Balin. »Im Moment kann ich es nicht beschreiben.«
    Merlin sagte: »Weil man sich gern in die Dinge
einmischt, mit den Möglichkeiten spielt.«
    Der Igel nannte den besten Grund, und der lautete
einfach: »Warum nich?«
    Dann schwiegen sie und schauten sinnend in die
knisternden Flammen.
    »Vielleicht habe ich ein düsteres Bild von den
Menschen gemalt«, sagte Merlin zweifelnd, »nicht sehr düster, aber es hätte ein
wenig freundlicher sein können. Ich wollte, daß Ihr versteht, warum man auf die
Tiere achten soll. Ich wollte nicht, daß Ihr denkt, der Mensch sei darüber
erhaben. Im Lauf einer langen Erfahrung mit der menschlichen Rasse habe

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