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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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fortbewegen- so flink es Ihnen
behagt.«
    »Sehr schön, Madame«, sagte Wart, dem der Groll
über die Angst hinweghalf. Er lupfte die Flügel und saß alsbald am äußersten
Ende der Sitzstange neben Cullys Privatabteil.
    »Junge!« rief der Colonel mit schier hysterischer
Stimme, »komm mir nicht zu nahe, komm mir nicht zu nahe. Ach, führe mich nicht
in Versuchung, ebne mir nicht den Weg zu ewiger Verdammnis.«
    »Ich fürchte mich nicht, Sir«, sagte Wart. »Quält
Euch nicht, denn uns beiden wird kein Übel geschehen.«
    »Kein Übel, sagt er! Ach, geh, eh’s zu spät ist.
Ich verspüre ewig-unstillbares Verlangen in mir.«
    »Keine Angst, Sir. Sie brauchen nur dreimal zu
läuten.«
    Hier senkten die Ritter ihre erhobenen Beine und
schüttelten sie feierlich. Das erste silberne Geläut füllte den Raum.
    »Madame, Madame!« rief der Colonel in äußerster
Qual. »Seid barmherzig, habt Mitleid mit einem Verdammten. Läutet das Alte
aus, läutet das Neue ein. Ich hält’s nicht mehr lange aus.«
    »Seid tapfer, Sir«, sagte Wart sanft.
    »Seid tapfer, Sir! Ach nein: erst vor zwei Nächten
traf man den Herzog gegen Mitternacht in einer Gasse hinter der
Sankt-Markus-Kirche, und er trug das Bein eines Mannes auf der Schulter, und er
heulte gar erschröcklich.«
    »Macht Euch nichts draus«, sagte Wart.
    »Nichts draus machen?! Hat gesagt, er war’ ein
Wolf; der einzige Unterschied: Wolfsfell sei außen haarig, seines innen. Weid
mich aus und sieh nach. Nimm einen Hirschfänger, nimm einen Pfriem, nimm, was
du willst – gib Ruhe!«
    Die Glöckchen erklangen zum zweitenmal.
    Warts Herz klopfte heftig, und der Colonel rutschte
auf seiner Sitzstange näher heran. Papp, papp, ging’s, und bei jedem Schritt
umklammerte er kraftvoll und hörbar das Holz. Seine armen irren perversen Augen
funkelten im Mondschein, leuchteten vor der drangsalierten Dunkelheit seiner gesträubten
Stirn. Es war ihm nichts Grausames zu eigen, kein niederes Begehren. Wart
hatte ihn höchlichst entsetzt; er verspürte Furcht, nicht Triumph; und er mußte
schlagen.
    »Wenn’s nun schon mal getan werden muß«, flüsterte
der Colonel, »dann sollt’s aber auch besser schnell getan werden. Wer hätt’
gedacht, daß der junge Mann solchen Geblütes wäre, so blutvoll, so…«
    »Herr Oberst!« sagte Wart, ließ es jedoch dabei
bewenden.
    »Junge!« rief der Colonel. »Sag was, halt mich,
Hilfe!«
    »Eine Katze ist hinter Euch«, sagte Wart gelassen,
»oder ein Eichkater. Seht doch!«
    Der Colonel drehte sich um, fix wie ein
Wespenstich, und äugte drohend ins Dunkel. Es war nichts da. Flugs richtete er
seine wilden Augen wieder auf Wart, wohl wissend, daß er an der Nase
herumgeführt worden war. Mit der kalten Stimme einer Natter sagte er: »Die
Glocke lädt mich ein. Hör sie nicht, Merlin, denn es ist die Totenglocke, die
dich zu Himmel oder Hölle ruft.«
    In diesem Augenblick läutete es zum drittenmal, und
damit war alles ausgestanden. Die Probe war vorüber, und er durfte sich
entfernen. Er tat es, er entfernte sich, er flog von dannen – doch schneller
noch als alles auf der Welt schössen die entsetzlichen Sicheln des Colonel hervor.
Es ging so schnell, daß man’s nicht sehen konnte – nur spüren. Ein Hacken, ein
Greifen, ein Festhalten: als ob er von einem großen Polizisten arretiert würde,
so fuhren die scharfen Skimitare in seinen Daumen.
    Wie Dolche, wie Krummschwerter hakten sie sich
fest, unwiderruflich. Sie packten zu, ließen nicht locker. Dann war Wart zwei
Schritt vom Gitter entfernt, und Colonel Cully stand mit einem Fuß auf der
Stange – im anderen Fang hielt er ein Stück Geflecht und etwas Gefieder fest
umkrallt. Zwei oder drei kleinere Federn flatterten in einem Mondstrahl sanft
zu Boden.
    »Ausgezeichnet bestanden!« rief Balan entzückt.
    »Sehr ehrenhaft«, sagte der Peregrin, ohne zu bemängeln,
daß Captain Balan vor ihm das Wort ergriffen hatte.
    »Amen!« sagte der Sperber.
    »Ausgesprochen tapfer!« sagte der Turmfalk.
    »Sollen wir ihm das Triumphlied singen?« fragte
Baiin, den die Heldentat milder gestimmt hatte.
    »Sicherlich«, sagte der Peregrin.
    Und dann sangen sie alle zusammen, angeführt von
Colonel Cully, in höchsten Tönen, triumphal klingelnd im unheimlichen
Mondschein.
     
    »Bergvögel singen
heller,
    Im Tal die fettren
hocken,
    Die konnten wir drum
schneller
    Auf unsre Spindeln
locken.
    Wir trafen ein
Karnickel
    Im Krautfeld vor den
Hecken,
    Das kriegten wir beim
Wickel,
    Es quiekte

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