Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
Vom Netzwerk:
Archimedes,
»trotz ihrem etwas rohen Humor. Sie gehören nämlich zu den Vögeln, die ein
Parlament haben, weißt du, und ein Gesellschaftssystem.«
    »Meinst du, sie haben Gesetze?«
    »Gewiß haben sie Gesetze. Im Herbst kommen sie auf
einem Feld zusammen, um darüber zu debattieren.«
    »Was für Gesetze?«
    »Ach, weißt du, Gesetze über die Verteidigung der
Kräherei, über Heirat und dergleichen. Man darf nicht außerhalb des Horstes
heiraten, und wer jedes Gefühl für Sitte und Anstand verliert und eine schwarze
Jungfrau aus einer benachbarten Siedlung heimführt, na, dem reißen alle das
Nest in Fetzen – so schnell kann man’s gar nicht bauen. Sie vertreiben ihn in
die Außenbezirke, weißt du, und deshalb findet man um jeden Horst herum,
etliche Bäume entfernt, diese Außen-Nester.«
    »Was mir noch an ihnen gefällt«, sagte Wart, »das
ist ihr Schwung. Sie mögen Diebe und Spitzbuben sein, und sie streiten sich
dauernd und kreischen sich an, aber sie haben immerhin den Mut, ihre Feinde
anzupöbeln. Ich würd’ meinen, es gehört allerhand dazu, einen Falken
anzupöbeln, auch wenn man eine ganze Horde ist. Und sogar dabei spielen sie
noch den Clown.«
    »Pöbel«, sagte Archimedes überlegen. »Das ist der
richtige Ausdruck.«
    »Na ja, ein lustiger Pöbel jedenfalls«, sagte Wart.
»Ich hab’ sie gern.«
    »Was ist denn dein Lieblingsvogel?« fragte Merlin
höflich, um den Frieden zu wahren.
    Archimedes dachte eine Weile hierüber nach, und
dann sagte er: »Tja, das ist eine ziemlich weitschweifige Frage.
    Genausogut könnt’ man Euch nach Eurem Lieblingsbuch
fragen. Insgesamt jedoch möchte ich sagen, daß ich die Taube bevorzuge.«
    »Als Speise?«
    »Diesen Aspekt habe ich bewußt außer Betracht gelassen«,
sagte die Eule in gemessenem Ton. »Es stimmt: die Taube ist die Lieblingsspeise
aller Raubvögel, wenn sie groß genug sind, sie zu schlagen; aber ich dachte ausschließlich
an die häuslichen Anlagen der Taube.«
    »Beschreibe sie.«
    »Die Taube«, sagte Archimedes, »ist eine Art
Quäker. Sie kleidet sich in Grau. Ein gehorsames Kind, ein treuer Liebhaber,
ein kluger Brutpfleger und Erzieher. Die Taube weiß, wie alle Philosophen, daß
jedes Menschen Hand ihr übelwill. Durch die Jahrhunderte hat sie gelernt, sich
aufs Fliehen zu spezialisieren. Keine Taube hat sich je der Aggression schuldig
gemacht oder sich gegen ihre Verfolger gewendet – und andrerseits gibt es
keinen Vogel, der denen so geschickt entweicht. Sie hat gelernt, sich aus der
dem Menschen abgewandten Seite des Baumes zu schwingen und so niedrig zu
fliegen, daß immer eine Hecke zwischen ihnen ist. Kein anderer Vogel kann derart
gut Reichweiten abschätzen. Wachsam, bepudert, duftend und flaumig sind sie, so
daß Hunde sie nicht gern ins Maul nehmen mögen; gegen Schrotkörner schützt sie
die Polsterung ihres Gefieders; sie gurren einander mit aufrichtiger Liebe an,
füttern ihre raffiniert versteckten Kinder mit wahrer Hingabe und fliehen vor
ihrem Angreifer mit wahrer Philosophie: eine friedliebende Rasse, die in
Planwagen den räuberischen Indianern entweicht. Sie lieben Individualisten, die
nur dank der Klugheit, mit der sie sich entziehen, das Toben des Gemetzels
überleben. – Hast du gewußt«, fügte Archimedes hinzu, »daß ein Taubenpaar
stets Kopf bei Schwanz sitzt, so daß sie nach beiden Richtungen Ausschau halten
können?«
    »Von unsern zahmen Tauben weiß ich’s«, sagte Wart.
»Ich vermute, der Grund, weshalb die Menschen sie immer töten wollen, ist der,
daß sie so gefräßig sind. Was mir an den Wildtauben gefällt, ist das Klatschen
ihrer Flügel, und wie sie sich aufschwingen und die Flügel falten und niederschweben,
wenn sie werben, so daß sie beinahe wie Spechte fliegen.«
    »Keine große Ähnlichkeit mit Spechten«, sagte
Merlin.
    »Stimmt«, gab Wart zu.
    »Und welches ist Euer Lieblingsvogel?« fragte
Archimedes, um seinen Herrn in die Unterhaltung einzubeziehen.
    Merlin legte seine Finger aneinander wie Sherlock
Holmes und entgegnete ohne Zögern: »Ich bevorzuge den Buchfinken. Mein Freund
Linnaeus nennt ihn coelebs oder Junggesellen-Vogel. Die Schwärme trennen sich
im Winter, so daß alle Männchen in einem Schwarm sind und alle Weibchen im
anderen. Auf diese Weise herrscht zumindest in den Wintermonaten völliger
Friede.«
    »Ursprünglich«, bemerkte Archimedes, »ging es darum,
ob Vögel sprechen können.«
    »Ein anderer Freund von mir«, sagte Merlin
sogleich, und zwar in

Weitere Kostenlose Bücher