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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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wenn du sie findest, wirst du wieder ein charakteristisches
Eulen-Geräusch hervorbringen, das in Büchern über Ornithologie allerdings
nicht häufig erwähnt wird. Ich meine ›Tock‹ oder ›Tck‹, was Menschen als
›schmatzen‹ bezeichnen.«
    »Und welches
Geräusch soll das imitieren?«
    »Eindeutig das
Brechen von Mauseknochen.«
    »Ihr seid ein
gescheiter Herr«, sagte Archimedes, »und als arme alte Eule kann ich nicht viel
dagegen einwenden. Aus meiner eigenen Erfahrung heraus jedoch möchte ich
behaupten, daß es überhaupt nicht stimmt. Eine Meise sagt einem nicht nur, daß
sie in Gefahr ist, sondern auch, in welcher Gefahr sie ist. Sie kann sagen:
›Vorsicht, Katze!‹ oder ›Vorsicht, Habicht!‹ oder ›Vorsicht, Waldkauz!‹ – ganz
klar und eindeutig.«
    »Das bezweifle
ich ja gar nicht«, sagte Merlin. »Ich versuche doch nur, euch die Ur-Anfänge
der Sprache zu erklären. Willst du mir vielleicht das Lied irgendeines Vogels
nennen, das ich nicht auf Nachahmung zurückführen könnte?«
    »Ziegenmelker«,
sagte Wart.
    »Das Surren von
Käferflügeln«, erwiderte sein Lehrer sofort.
    »Nachtigall«,
rief Archimedes verzweifelt.
    »Ahja«, sagte
Merlin und lehnte sich in seinem bequemen Sessel zurück. »Nun müssen wir den
Seelen-Sang unserer geliebten Proserpina imitieren, der Persephone, da sie sich
anschickt, zu köstlicher Klarheit zu erwachen.«
    »Tereu«, sagte
Wart sanft.
    »Pieu«, fügte
die Eule gefühlvoll hinzu.
    »Musik!« schloß
der Zaubermeister ekstatisch – außerstande, sie als Nachahmung zu erklären.
    »Hallo«, sagte
Kay und öffnete die Schulzimmertür. »Ich bitte um Verzeihung, daß ich zu spät
zum Geographie-Unterricht komme, aber ich wollt’ ein paar Kleinvögel mit der
Armbrust erlegen. Immerhin: eine Drossel hab’ ich erwischt.«
     
     
     
     
     
    KAPITEL 18
     
     
    Wart lag wach, wie ihm
geheißen war. Er sollte warten, bis Kay eingeschlafen sein würde, und dann
wollte Archimedes ihn mit Merlins Zauberhilfe holen. Er lag unter dem großen
Bärenfell und starrte durchs Fenster auf die Frühlingssterne; sie waren nicht
mehr frostig und metallisch, sondern wie frisch gewaschen und von der Feuchtigkeit
geschwellt. Es war ein wunderbarer Abend, ohne Regen oder Wolken. Der Himmel
zwischen den Sternen war aus tiefem sattem Samt. Im Rahmen des breiten
Westfensters jagten Aldebaran und Beteigeuze den Sirius über den Horizont, und
der Große Hund schaute sich nach seinem Herrn um, Orion, der noch nicht
aufgegangen war. Der Duft nächtlicher Blüten kam zum Fenster herein: die
Knospen der Johannisbeeren, der Wildkirschen, der Pflaumen und des
Schwarzdorns hatten sich bereits geöffnet, und in den dämmernden Bäumen hielten
nicht weniger als fünf Nachtigallen einen Sängerwettstreit ab.
    Wart lag auf dem Rücken; er hatte das Bärenfell zurückgeschoben
und die Hände unter dem Kopf gefaltet. Zum Schlafen war es zu schön, und für
das Fell war’s zu warm. Hingegeben betrachtete er die Sterne, beinah wie in
Trance. Bald war es wieder Sommer, und er konnte auf den Zinnen schlafen und
die Sterne beobachten, die ihm dann so nahe waren wie Motten und – zumindest in
der Milchstraße – auch so etwas wie einen mottigen Blutenstaub an sich hatten.
Gleichzeitig würden sie so ferne sein, da unartikulierbare Gedanken von
Weltraum und Ewigkeit ihn seufzen ließen, und er stellte sich vor, wie er höher
und höher fiel, mitten unter die Sterne, ohne Ziel, ohne Ende – alles
verlassend und alles verlierend im ruhigen Lauf des Alls.
    Als Archimedes kam, um ihn zu holen, schlief er
fest.
    »Iß das«, sagte die Eule und gab ihm eine tote
Maus.
    Wart war’s so seltsam zumute, daß er das pelzige
Etwas entgegennahm und sich widerspruchslos in den Mund steckte, ohne irgend
welche Befürchtungen, daß es ekelhaft sein würde. Daher war er nicht
überrascht, daß es sich als ausgezeichnet erwies, mit einem fruchtigen Geschmack,
einem Pfirsich ähnlich, dem man die Haut nicht abgezogen hat, wenngleich das
Fell natürlich nicht so lecker war wie die Maus.
    »So, und jetzt fliegen wir am besten los«, sagte
die Eule. »Flatter mal aufs Fensterbrett, damit du dich eingewöhnst, ehe wir
uns auf den Weg machen.«
    Wart schnellte sich zum Fensterbrett und half
automatisch mit einem Flügelschlag nach, so, wie ein Hochspringer seine Arme
wirft. Mit einem leichten Aufprall landete er auf dem Fensterbrett, wie’s Eulen
nun einmal eigen ist, konnte nicht rechtzeitig abbremsen und

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