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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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schlimmer war dann, dass er die Anweisung, die Finger von dem Fall zu lassen, missachtet und sich stattdessen heimlich mit dem Hauptverdächtigen getroffen hatte. Trave betonte,dass er Swain keinesfalls dabei helfen wollte, der Justiz zu entkommen, doch das rief beim Chief Constable nichts als einen ungläubigen, wenn nicht sogar angewiderten Gesichtsausdruck hervor. Links von ihm saß Creswell und litt still. Während der ganzen Anhörung sagte der Superintendent kein Wort und sah Trave auch nicht in die Augen. Das ließ für den Ausgang des Verfahrens nichts Gutes hoffen, zu dem sich der Chief Constable sieben Tage nach der Anhörung äußern wollte.
    Trave hatte keine Ahnung, was er machen würde, sollte er seinen Job verlieren. Dass der Fall eintreten könnte, war jetzt ziemlich wahrscheinlich, dennoch verschwendete er keinen Gedanken daran. Er war vollkommen auf diese Sache mit Osman fixiert. In London hatte David Swains Verhandlung begonnen, und seine Reise nach Antwerpen hatte keine neuen Erkenntnisse geliefert. Jacob war nirgendwo zu finden und wusste wahrscheinlich ohnehin nichts, und Bircher, die einzige schwache Verbindung, die es zwischen Blackwater Hall und dem Ausbruch aus dem Gefängnis gab, war tot – und dann auch noch durch vermeintlichen Selbstmord. Trotzdem war Trave nicht bereit aufzugeben: Unablässig studierte er das Protokoll von Swains erster Verhandlung, bis die Buchstaben vor seinen Augen verschwammen. Und in den vergangenen Tagen hatte er begonnen, ziellos durch das Zentrum von Oxford zu fahren und inmitten der Menschenmengen Ausschau nach dem Enkel von Aliza Mendel zu halten – natürlich ohne Erfolg.
    Trave ging zum Sofa und setzte sich vor den Fernseher, um die Nachmittagsnachrichten zu sehen. Der Fernseher war eine relativ neue Anschaffung. Vanessa hatte ihn wenige Monate nach dem Tod ihres Sohnes Joe gekauft. Er hatte geholfen, die Stille zu übertönen und war ein guter Puffer zwischen ihnen beiden gewesen. So konnte jeder für sich trauern. Trave erinnerte sich sehr gut daran, wie der Fernseher über Wochen ununterbrochen lief, bevor Vanessa schließlich den Mut aufbrachte, ihre Sachen zu packenund auszuziehen. Den Fernseher hatte sie dagelassen: Es schien, als brauchte sie ihn nicht mehr, jetzt, wo sie einen Neuanfang wagte. Trave fragte sich, ob sie wohl in ihrer neuen Wohnung einen hatte. Er litt so sehr unter ihrer Abwesenheit, dass er sich überhaupt nicht vorstellen mochte, wie sie jetzt lebte. Das würde sich allerdings bald ändern, sobald sie ihn um die Scheidung bitten und zu Osman nach Blackwater Hall ziehen würde. Trave presste die Handflächen an die Schläfen, um die Bilder zu verjagen, die ihm auf einmal durch den Kopf schossen. Eines war schlimmer als das andere: Vanessa verschwunden, Vanessa in Blackwater Hall, Vanessa, die nach Osmans Hand griff, während sie auf ihn heruntersah und er flach ausgestreckt vor den beiden auf dem Boden lag.
    Er hätte sich gern ein bisschen selbst bemitleidet, aber er wusste, dass er an allem selbst schuld war. Er hatte seine Frau verloren, weil er unfähig gewesen war, ihr in Zeiten der Not Trost zu spenden. Stattdessen hatte er so viel Zeit wie irgend möglich weit weg von ihr verbracht und sich um die Toten irgendwelcher anderer Familien gekümmert, so, als könne er über diesen Umweg seine eigenen Probleme lösen. Ebensogut hätte er etwas mit einer anderen Frau anfangen können: Auf die Art hätte er sich genauso von Vanessa abgewendet wie dadurch, dass er Tag und Nacht arbeitete wie ein Idiot. War es nicht ausgleichende Gerechtigkeit, dass er jetzt drauf und dran war, diesen Job zu verlieren, nur um dann einsam und arbeitslos in dem großen, leeren Haus dahinzuvegetieren, aus dem er zuvor immer geflüchtet war?
    An der Tür klingelte es. Ein ungewohntes Geräusch, insbesondere an einem Sonntag, und Trave schreckte auf. Seit Joes Tod und Vanessas Auszug besuchte kaum jemand die Hill Road Nr. 17, außer ab und zu Leute wie die Zeugen Jehovas oder der Mann, der einmal pro Monat den Gaszähler ablas, wobei der immer morgens kam. Trave überlegte, ob er die Türklingel genauso wie das Telefon ignorieren sollte, doch da klingelte es schon wieder, und zwar beharrlicherals zuvor. Wer immer das auch sein mochte, wusste, dass Trave zu Hause war. Der Fernseher hatte ihn wohl verraten. Widerwillig ging Trave zur Tür und öffnete sie. Clayton stand zitternd auf der Türschwelle, obwohl er einen Mantel trug.
    »Was wollen Sie?«, fragte

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