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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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explodieren.
     
    Später, am Vormittag, machten Trave und Clayton einen Spaziergang hinunter zu Osmans Bootshaus, dorthin, wo zwei Jahre vorher Ethan Mendel ums Leben gekommen war. Traves Laune schien sich schlagartig zu bessern, sobald er aus der Eingangstür des Hauses getreten war. Er rieb sich die Hände, sog die frische Morgenluft tief in seine Lungen und stapfte in so forschem Tempo über den Rasen, dass Clayton Mühe hatte zu folgen.
    Bald erreichten sie das Waldstück. Über ihren Köpfen tummelten sich Eichhörnchen im Geäst der hohen Bäume, durch die Sonnenstrahlen drangen. Trave und Clayton liefen über einen dicken Teppich aus Kiefernnadeln, der ihre Schritte abdämpfte, und ihre Stimmen wirkten unnatürlich laut in der Stille. Die Suchtrupps waren mittlerweile offenbar auf der anderen Seite der Straße im Einsatz.
    Trave schien sich auszukennen. An einer Gabelung des Fußpfades bog er ohne Zögern nach links ab und blieb dann so plötzlich stehen, dass Clayton sich an seinem Vorgesetzten festhalten musste, um nicht über ihn zu fallen. Auf dem tiefhängenden, kahlen Ast einer Kiefer, die als Einzige nahe am Weg stand und ihnfast blockierte, saß Osmans Katze. Clayton lachte auf, ohne wirklich amüsiert zu sein. Auch wenn der Gedanke lächerlich war: Das Tier schien den Weg zu überwachen. Es saß vollkommen regungslos und fixierte sie mit den Augen, ohne einmal zu blinzeln. Schließlich hob Trave eine Handvoll Kiefernnadeln auf und warf sie nach der Katze. Mit einem wütenden Fauchen verschwand Cara im Gehölz.
    »Ich nehme an, das erzählt sie jetzt brühwarm ihrem Herrn und Meister«, sagte Trave mürrisch, als sie den Weg zum See hinunter fortsetzten.
    »Was stört Sie denn so sehr an ihm, Sir?«, fragte Clayton und merkte, dass er genau die gleiche Frage schon einmal gestellt hatte, nämlich früh am Morgen, kurz nach der Befragung von Claes.
    »Dass er so ausgeglichen und heuchlerisch ist. Dass er ein Snob ist. Dass er so unglaublich selbstzufrieden ist. Dass er diesen Claes im Schlepptau hat. Was wollen Sie noch wissen?«, raunzte Trave verärgert. Seine Gereiztheit schien seit der Begegnung mit der Katze wiedergekehrt zu sein, und zwar doppelt so stark wie vorher.
    »Ich finde nicht, dass er heuchlerisch ist«, sagte Clayton, überrascht über die Gehässigkeit seines Chefs. »Er wirkte ehrlich betroffen wegen seiner Nichte. Zumindest kam es mir so vor.«
    »Er ist ein besserer Schauspieler als die anderen beiden. Mehr nicht«, sagte Trave scharf. »Ist Ihnen nicht aufgefallen, wie wenig sich Claes und seine Schwester an der Art und Weise störten, mit der ich ihnen zusetzte? Es war, als hätten sie das genau so erwartet. Und dann diese einsilbigen Antworten, wo man doch eigentlich erwarten sollte, dass sie uns helfen. Jana scheint nur ihr verdammtes Porzellan im Kopf zu haben, nicht etwa irgendein Mädchen, das mit einer Kugel im Kopf oben im Haus herumliegt.«
    »Sie steht unter Schock.«
    »Kann sein. Trotzdem sage ich: Das klingt alles einstudiert, als würden sie allesamt ihren Text ablesen. Und kommen Sie mir jetztbloß nicht damit, dass das Ausländer sind, dass Englisch nicht ihre Muttersprache ist. Das weiß ich nämlich.«
    »Aber es ist doch so«, sagte Clayton stur. »Und wenn alles so einstudiert sein soll, warum hat Osman dann nicht gesagt, er hätte Swain im Gang gesehen? Genau das hätten Sie doch erwartet, oder?«
    »Weil das ein Ei zuviel im Pudding wäre, deshalb«, sagte Trave ungeduldig.
    Sie folgten dem Pfad in eine Kurve, traten aus den Bäumen und standen am Ufer des Sees. Das Erste, was Clayton wahrnahm, war die unglaubliche Stille über dem dunkelblauen Wasser. Die gläserne Oberfläche erstreckte sich etwa über eine halbe Meile bis hin zu einer Reihe von Trauerweiden am gegenüberliegenden Ufer. Daran schloss sich eine Wiese an, auf der schwarzweiß-gefleckte Kühe standen und stumpfsinnig das Gras verzehrten, auf das ein weiter am Ufer entlang gelegenes Kiefernwäldchen seine Schatten warf.
    »Gehört das auch alles Osman?«, fragte Clayton und zeigte auf den See.
    »Nein. Sein Besitz geht bis zu dem Pfad, der hier am See entlang und dann durch die Bäume dort drüben bis zu einem Zaun an der Straße führt. Aber das Bootshaus gehört ihm, auch wenn er es anscheinend nie benutzt«, sagte Trave und deutete auf die einstöckige Holzhütte mit Teerdach, auf die sie jetzt zugingen. Clayton hatte sie zunächst nicht bemerkt, denn sie war ein gutes Stück zurückgesetzt

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