Der König Der Komödianten: Historischer Roman
Brennofen. Damit versuchen die Alchimisten, den Lapis Philosophorum 26 herzustellen, und wenn das nicht gelingt, dann wenigstens Gold. Einer von den anderen Badegästen sagte, er habe von einem Würzburger Alchimisten reden hören, dem eine Transmutation in Gold geglückt sei. Ich habe in der Zwischenzeit Erkundigungen eingezogen, wer diese neuen Öfen herstellt. Man kann ja nie wissen, ob einem solches Wissen vielleicht noch nützlich sein kann.«
»Und vorhin war dieses Wissen nützlich?«, fragte Elena.
»Nun ja, das hätte es sein können. Aber heute habe ich wichtigere Verpflichtungen, als mich um Importgeschäfte zu kümmern.« Der Alte lächelte seine Enkelin an. »Zum Beispiel dabei zu sein, wenn du nachher zum ersten Mal eine Frauenrolle probst.«
Offenbar hatte er keine Schwierigkeiten, sich gegenwärtige Geschehnisse zu merken.
»Hm, ja. Die Proben.« Elena wirkte mit einem Mal ein wenig nervös. »Ich weiß nicht, ob ich das schaffe. Eine richtige Frauenrolle zu spielen, meine ich.«
»Du kannst mit dem wackeren jungen Marco die Rolle durchgehen. Schließlich ist er mit der Figur vertraut wie kein anderer, denn er ist der Autor.« Baldassarre strich Elena übers Haar. »Sofern dein Auftritt verbesserungswürdig ist, kannst du mit Marco üben. Was meinst du dazu, Marco?«
Ich brachte ein bejahendes Krächzen zustande und war froh, als wir gleich darauf die Ca’ Contarini erreichten.
Vor der Probe hatte ich mindestens genauso viel Angst wie Elena.
Es gab erst anderthalb Akte, mehr hatte ich bisher nicht in lesbarer Form niedergelegt. Den Rest der Geschichte hatte ich den anderen lediglich grob zusammengefasst erzählt.
In den zwei Stunden, die mir bis zum Beginn der Probe blieben, schrieb ich noch eine Handvoll Szenenentwürfe, doch am Ende kam dabei weniger heraus, als ich mir erhofft hatte, denn die Nervosität lähmte meine Inspiration.
Immerhin das bereits fertig gedichtete Sonett warf ich noch rasch aufs Papier. Ich überreichte es Bernardo zum Lesen. Zu meiner Erleichterung war er nüchtern und auch sonst in halbwegs zuträglicher Stimmung; sein Wundschmerz war offenbar wieder vergangen.
Wortlos begutachtete er das Sonett – und brach in brüllendes Gelächter aus. Ich zog den Kopf ein und fühlte mich wie eine in Zermalmung begriffene Küchenschabe unter einem harten Stiefel.
Bernardo wischte sich die Augenwinkel. »Marco, alles was recht ist, man kann dir viel nachsagen, aber nicht, dass du kein Talent hast. Es fiel mir schon vorher auf, an den Reimen, die du in Padua verfasst hattest, zu Ehren meiner Frau und der Herbergsleute. Aber das hier schlägt alles!«
Ich schluckte. »Es gefällt Euch? Warum lacht Ihr dann darüber?«
»Weil es saukomisch ist! Ich könnte mich schon beim Lesen totlachen! Was meinst du, wie es erst wirkt, wenn ich es deklamiere!« Grinsend wiegte er den Kopf. »Auf Knien sink ich hin! Kein Schwert, kein knallendes Gewehr! Haha!« Laut glucksend ging er davon.
»Wes Lachen hör ich hier im Saale?« Ein feengleiches Wesen kam aus einer der Kammern in den Portego geflattert, und fast hätte ich mich vor der Fremden verneigt, bevor ich merkte, dass ich Cipriano vor mir hatte.
Er war geschminkt und herausgeputzt wie für eine Hochzeit – als Braut.
Das helle Haar war zu wasserfallartigen Löckchen frisiert und mit golddurchwirkten Bändern geschmückt. Irgendwie hatte er es auch geschafft, seinem Oberkörper weibliche Formen zu verleihen. Unter dem blauen Seidenkleid zeichneten sich runde Brüste ab.
Verschämt legte er die Hände darauf. »Baumwollpolster«, sagte er. »Sieht es echt aus?«
Ich nickte, immer noch verdattert wegen des unerwarteten Anblicks. »Beinahe hätte ich dich nicht erkannt.«
»Das ist fein! Und wie findest du den Rest? Das Haar? Das Gesicht? Sehe ich wie eine richtige Frau aus?«
Henry betrat den Raum. »Nein, viel besser.« Mit sichtlicher Begeisterung betrachtete er Cipriano. »Wie weise war doch die Entscheidung der englischen Obrigkeit, Frauenrollen beim Theater nur mit Männern zu besetzen! Galten doch bereits den alten Griechen Männer als die schöneren Frauen! Dieses hehre Ideal der Antike belebst du auf wundervolle Weise neu!«
»Oh, Henry!« Cipriano strahlte den Engländer an. »Danke für das Kompliment! Das bedeutet mir viel, denn als langjähriger Freund der Bühne verstehst du von diesen Dingen mehr als viele andere! Ich weiß, ich hätte mich für diese erste Probe nicht kostümieren müssen, kein Darsteller tut
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