Der König Der Komödianten: Historischer Roman
trieb eine Gondel auf dem Kanal, dicht beim Haus, und jemand hatte dasRuder hochgereckt und mit dem Blatt sacht gegen die Läden gepocht. Im funzligen Licht der abgehängten Bootslaterne war das Gesicht des nächtlichen Besuchers schlecht zu erkennen, doch ich sah sofort, dass es Giovanni war.
»Komm raus, wir müssen reden«, zischte er.
Ich zögerte nicht. Geräuschlos schlich ich mich aus der Kammer und huschte durch den Innenhof auf die Gasse. Das Tor knarrte fürchterlich, und ich blieb mit angehaltenem Atem stehen, um mich zu vergewissern, dass niemand aufgewacht war. Alles blieb jedoch still.
Giovanni erwartete mich auf der Fondamenta, wo er das Boot an einem der aus dem Wasser ragenden Haltepfosten festgemacht hatte.
»Wo warst du die ganze Zeit?«, flüsterte ich.
»Auf der Terraferma«, erwiderte er ebenso leise.
»Wieder in wichtigen Geschäften?«
»So könnte man sagen. Bald muss ich erneut los, weitere Verhandlungen führen, bis alles geklärt ist.«
»Bis was geklärt ist?«
»Diverse Angelegenheiten, Handelsgeschäfte der Compagnia Contarini.«
»Die Compagnia von deinem Vater«, stellte ich fest. Und von meinem, fügte ich in Gedanken hinzu.
Giovanni nickte. »Noch wird sie von meinem Onkel geführt, aber in nicht allzu ferner Zukunft geht sie in meine Hände über, so wie es vorgesehen ist.«
Offenbar hatte er vor, ein großer Handelsherr zu werden. Ich horchte in mich hinein, doch fand ich unter all meinen Empfindungen, die wahrlich verworrener nicht hätten sein können, keine Spur von Missgunst.
»Was hast du mit mir zu bereden?«, fragte ich. »Hast du etwas über unsere Geburt in Erfahrung gebracht?«
Er schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Ich muss zuerst die richtigen Leute finden, die darüber Bescheid wissen.« Er holte Luft.»Ich komme, um dich zu warnen. Jemand hat versucht, mich umzubringen. Kann sein, dass der Betreffende dich meinte.«
Ich erschrak. »Ein Prior und ein Notar? Oder ein reicher Kaufmann?«
Giovanni stutzte. »Wie kommst du darauf ?«
Und so erzählte ich ihm meine ganze Geschichte, jedenfalls so, wie sie sich mir darstellte.
»Ich sah weder Prior noch Notar«, sagte Giovanni. »Der Kerl, der versucht hat, mich abzustechen, war ein hässlicher Bursche mit einer platt geschlagenen Nase.«
»Aldo«, entfuhr es mir.
»Wer zum Teufel ist Aldo?«
Auch das berichtete ich ihm, worauf er nickte. »Mit anderen Worten, er meinte wirklich dich.«
»Sicher. Denn dich kennt er ja gar nicht.« Neugierig blickte ich ihn an. »Wie hast du dich seiner erwehrt?«
»Ich habe ihm ordentlich eins mit der Faust auf die Nase gegeben. Es krachte gewaltig, und er ließ den Dolch fallen.« Giovanni deutete auf seinen Gurt, wo er das erbeutete Messer stecken hatte. »Danach wollte ich ihn packen und ausfragen, doch er riss sich los und gab Fersengeld.«
»Er wird es immer wieder versuchen«, prophezeite ich düster. »Ich habe auch schon zwei Messer von ihm. Du musst dich auf Schritt und Tritt vorsehen.«
»Die nächste Zeit wird er damit zubringen, sich von seinen Nasenschmerzen zu erholen. Und sobald er wieder auftaucht, gebe ich ihm mein Rapier zu schmecken.« Er grinste übermütig. »Oder du ihm deines.«
Mit einem Mal flatterte mein Herz, als wollte es mir aus der Brust hüpfen und ihm entgegenfliegen. Zurück blieb ein seltsames Gefühl, das ich nicht genau ergründen konnte.
Giovanni runzelte nachdenklich die Stirn. »Du sagst, sie halten sich noch in der Stadt auf, dieser Prior und der Notar. Wir sollten herausfinden, was sie von dir wollen.«
»Das weiß ich ja schon. Sie haben es auf mein Erbe abgesehen. Von dem ich allerdings keine Ahnung habe, worin es besteht.«
»Dann sollten wir auch das herausfinden. Ebenso, was diese Herren vorhaben und wie man es verhindern kann.«
»Glaub mir, nichts täte ich lieber als das«, sagte ich voller Inbrunst.
»Dann lass es uns doch tun!«
»Aber wie denn?«
»Durch List«, antwortete Giovanni prompt. »Wir sind Zwillinge. Warum sollen wir das nicht ausnutzen? Wir können sie durcheinanderbringen, bis sie an ihrem eigenen Verstand zweifeln. Oder sich gegenseitig für verrückt halten.«
»Du meinst, wie in einem Verwechslungsstück auf der Bühne?«
»Genau.«
»Was schwebt dir vor?«
Er zuckte die Achseln. »Du bist der Theaterautor, oder? Denk dir was aus, und dann legen wir los.«
Grübelnd furchte ich die Stirn. Ein listiger Gegenangriff, um den Feind auszuhorchen und ihn in Verwirrung zu stürzen, ihn
Weitere Kostenlose Bücher