Der König Der Komödianten: Historischer Roman
Ihre Stimme war kaum zu hören. »Kaum ein halbes Jahr später erlag mein Vater einem Fieber. Großvater schaffte es, alles noch eine Weile im gewohnten Stil aufrechtzuerhalten. Er warb neue Schauspieler an. Cipriano und Franceschina, die auch schon sehr lange bei uns sind, haben ihn in vielen Dingen unterstützt – was sie beide übrigens heute noch tun, mehr denn je. Doch ohne meine Eltern war es, als hätte man der Truppe Herz und Seele herausgerissen. Bernardo und Caterina sind gute Schauspieler, aber es ist nicht dasselbe.« Sie schüttelte den Kopf. »Seither ging es abwärts, die Darsteller kommen und gehen schneller, als man sie zählen kann. Unser Repertoire wurde kleiner, die Kostüme schäbiger, die Vorführungen erfolgloser. Mittlerweile retten wir uns nur mühsam über die Runden. Falls noch jemand von den anderen geht, wäre es das Aus.«
»Das tut mir leid.«
»Das muss es nicht. Du kannst ja nichts dafür.« Sie lächelte flüchtig. »Und wenn es auch noch so arg ist: Wir machen unserer Kunst alle Ehre, im wahrsten Sinne des Wortes: Improvisation ist alles.«
Ihr Fatalismus nötigte mir Bewunderung ab – und Mitgefühl.
»Um die nächste Frage zu beantworten, die dir gewissbereits auf der Seele brennt: Nein, Bernardo hat Caterina nicht durch Gewalt oder List dazu gebracht, ihn zu heiraten.«
»Das wollte ich gar nicht fragen«, widersprach ich.
Elena überging meinen Einwand. »Es war Liebe auf den ersten Blick. Caterina war nicht mal so alt wie ich jetzt, als sie ihn heiratete, und da war sie trunken vor Glück, jedenfalls sagte sie das zu mir. Auch Bernardo schwebte wie auf Wolken, so seine Worte. Unsterblich sollte diese Liebe sein, das behaupteten alle beide. Wie es aber heute in ihnen aussieht, kann keiner genau sagen. Bernardo ertränkt seinen Verstand und seine Gefühle im Schnaps, bis nur noch die Eifersucht übrig ist. Und was Caterina denkt, lässt sich noch schlechter feststellen, denn sie ist eine wirklich gute Schauspielerin.«
Ich wollte protestieren, doch ich wusste nicht, was ich sagen sollte, deshalb schwieg ich lieber.
»Mir ist nicht entgangen, wie gern du dich zu ihrem Beschützer aufschwingen würdest, doch aus manchen Dingen hält man sich besser heraus.«
Schon wieder versuchte dieses unmündige Geschöpf, mir Vorschriften zu machen!
»Und mir ist nicht entgangen, wie gern du dich in anderer Leute Angelegenheiten einmischst«, erklärte ich gereizt.
Ihr war anzusehen, dass sie aufbrausen wollte, doch dann presste sie die Lippen zusammen.
Einen Moment später war sie verschwunden. Die Plane fiel hinter ihr zu, und gleich darauf sah ich durch den Stoff nur noch schemenhaft den tanzenden, sich entfernenden Schein des Windlichts.
Mein Schlaf war unruhig, und oft wachte ich auf, weil ich fror. Von irgendwoher zog es herein, und die Decke, die Cipriano mir gegeben hatte, hielt die Kälte nicht völlig ab. Schließlich zerrte ich eine Ecke des schweren Kulissentuchsüber mich, was mir zwar Schutz gegen die eisige Nachtluft, aber auch einen scheußlichen Albdruck bescherte.
Ich träumte, am Dampf einer kochenden Therme zu ersticken. Bruder Hieronimo stand am Rand der Quelle und verfolgte mit gütigem Lächeln, wie ich langsam an der Hitze zugrunde ging. »Ich werde die neue Orgel nach dir benennen«, versprach er mir.
Zum Glück wachte ich auf, bevor es zum Schlimmsten kam. Klatschnass geschwitzt, kämpfte ich mich aus der klammen Umhüllung und lugte nach draußen. Es war noch nicht richtig Tag, aber in das Morgengrauen mischten sich bereits die Farben des nahenden Sonnenaufgangs. Ein rötlicher Saum zeigte sich über den Dächern und erhellte die Umgebung. Verschlafen kletterte ich aus dem Wagen und schlug an einem der Räder mein Wasser ab, während ich überlegte, dass es nicht schaden könne, wenn ich mich wieder aufs Ohr legte, denn niemand konnte wissen, welche Anstrengungen dieser Tag mir noch brachte.
Dann hörte ich die Stimmen aus dem Stall. Zwei Männer führten dort in gedämpften Ton eine Unterhaltung, die mich schlagartig alles andere vergessen ließ – einer von ihnen hatte meinen Namen genannt! Ohne groß nachzudenken, huschte ich zum halb offenen Stalltor und drückte mich gegen den Pfosten.
»Marco Ziani heißt er also? Ihr meint diesen Jüngling von der Theatertruppe, der mit den braunen Locken und der großen Nase?«
»Ganz recht.«
»Und wie soll es Eurer Meinung nach geschehen?«
»Möglichst unauffällig, sodass es keinen Verdacht
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