Der König Der Komödianten: Historischer Roman
erregt.«
»So, als wäre es ein Zufall?«
»Zufälle sind immer gut.«
Die beiden Männer redeten so leise, dass sie kaum zu verstehen waren, doch ich hätte schwören mögen, dass derjenige,der den letzten Satz gesagt hatte, der Fremde war, der im Kloster mit Bruder Hieronimo gesprochen hatte!
Wie schon im Scriptorium hielt ich die Luft an, damit mir nichts von diesem neuerlichen Mordkomplott entging.
»Hilfreich wäre es sicher noch, wenn ich Euch von seiner familiären Vergangenheit erzähle.«
Mir schien, dass ich nicht nur das Atmen eingestellt hatte, sondern dass auch mein Herz aufgehört hatte zu schlagen. Ich stand so starr, dass ich mich mit dem Holz des Torpfostens, an dem ich lehnte, verwachsen fühlte, bis auf meine Ohren, die sich in bewegliche Segel verwandelt hatten. Auch meine Augen traten hervor, sowohl aus Luftmangel wie auch von dem ungezügelten Drang, mehr über mein dunkles Geheimnis zu erfahren.
»Alles begann in Venedig, im Jahr der großen Pest vor achtzehn Jahren …«
Ein Pferd scharrte mit den Hufen, und gleich darauf ein zweites, sodass die nächsten Worte nicht zu verstehen waren.
»Marco?«
Die schrille Frauenstimme war wie ein Dolch in meinem Rücken. Instinktiv versuchte ich, mich hinter dem Pfosten unsichtbar zu machen, doch zu spät: Die Herbergswirtin hatte mich genau gesehen. Sie stand in der offenen Tür des Gasthauses und winkte mich heran. »Komm in die Küche, ich habe frischen Haferbrei für dich!«
Die Unterhaltung im Stall war abrupt verstummt. Bevor einer der Männer mich entdecken konnte, verließ ich meinen Horchposten und hetzte mit Riesensprüngen zur Herbergswirtin hinüber. Den letzten Satz tat ich an der verblüfften Frau vorbei, ins Innere des Hauses.
»Da bin ich!«, stieß ich hervor.
»So ein guter Junge«, lobte sie mich, während ich noch nach Luft rang und mich dann mit zittrigen Gliedern an den großen Küchentisch setzte. »Wenn nur meine Söhne immer gleich aufs Wort angesprungen kämen!«
Zwei Mägde wuselten geschäftig zwischen Anrichte und Kochkamin hin und her, und als die Wirtin mir einen Napf mit heißem Brei füllte, kam auch Franceschina in die Küche. Sie wünschte mir einen guten Morgen und machte sich daran, einen übel riechenden Sud aus Kräutern aufzugießen und nebenher im Stehen einen gewaltigen Kanten Brot zu verschlingen. Die Verschnürung ihres Obergewandes stand offen und ließ einen Teil ihrer ausladenden Wölbungen unbedeckt. Ich bemühte mich, nicht den Spalt zwischen ihren Brüsten anzuglotzen, was Franceschina mir erschwerte, indem sie sich vorbeugte, um mir den Krug mit dem stinkenden Sud herüberzuschieben.
»Das kannst du gleich mit nach oben nehmen«, sagte sie. »Bernardo hat leider wieder ziemlich gebechert letzte Nacht. Achte darauf, dass er alles trinkt. Wenn nicht, sagst du mir Bescheid, dann komme ich und trichtere es ihm mit Gewalt ein. Sobald er es getrunken hat, ist er nüchtern genug, um damit anfangen zu können.«
»Womit?«
»Mit dem neuen Stück. Bei dem du ihm helfen sollst.« Sie biss von dem Brot ab und meinte mit vollem Mund: »Der frühe Vogel fängt den Wurm.« Etwas schien ihr Übelkeit zu bereiten, denn unvermittelt begann sie zu würgen. Gleich darauf presste sie sich die Hand vor den Mund und stürzte aus der Küche.
»Ja, ja«, sagte die Herbergswirtin. »So was hat man davon, wenn man sie zu oft ranlässt. Dumme Sache, ohne Ring am Finger.« Sie lächelte mich wohlwollend an. »Damit hast du noch nichts im Sinn, was? Oder doch?«
Während ich noch grübelte, was sie wohl meinte, drohte sie mir schalkhaft mit dem Finger. »Hast gestern Abend noch mit der kleinen Rothaarigen zusammengehockt, wie?«
Ich hatte das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen, obwohl ich nur nebulös ahnte, was sie mir unterstellte. »Wir haben über das Theater geredet«, sagte ich wahrheitsgemäß.
Die Herbergswirtin strahlte mich an. »Du hast es schon fertig, nicht wahr? Ich wusste doch, dass auf dich Verlass ist!« Mit der Schöpfkelle klatschte sie mir einen großen Nachschlag von dem Haferbrei in die Schale. »Iss tüchtig. Und nebenher kannst du es mir aufsagen.« Erwartungsvoll blieb sie am Tisch stehen.
»Äh … was?« Meine Miene spiegelte wohl meine Begriffsstutzigkeit wider, denn die Herbergswirtin sprach zu mir wie zu einem Kleinkind, langsam und jedes Wort einzeln betonend: »Das Gedicht für das Jubiläum.«
»Oh. Ach so.« Ich tat so, als wäre ich bestens im Bilde, dabei konnte ich mich
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