Der König Der Komödianten: Historischer Roman
hören war. Von so einem habe ich mir das Fell über die Ohren ziehen lassen. Wenn das nicht komisch ist!«
Unsicher blickte ich den Alten an. »Ihr findet das … komisch? Eigentlich hatte ich den Eindruck, dass es für alle Mitglieder der Truppe besonders tragisch war.«
Ungerührt zuckte Baldassarre die Achseln. »Im Rückblicksind gerade die tragischen Ereignisse komisch, das ist ein dramaturgisches Naturgesetz. Nur das ist komisch, was für einen anderen tragisch ist. Lachen kann man am besten aus Schadenfreude. Wie bei der Tragödie ist auch bei der Komödie der Held ein vom Schicksal Geschlagener, aber in überzeichneter Form. Daher auch die Lazzi, in denen der innere Kampf sich zum Schabernack wandelt. Das bringt die Leute zum Lachen.«
Schweigend lauschte ich diesen Worten, die mir so eigentümlich wahr und treffend erschienen. Ein Entschluss gewann dabei in mir Gestalt: Das Eifersuchtsdrama sollte gestalten, wer wollte. Ich würde mich nach anderen Stoffen umtun. Wenn das Leben tatsächlich die besten Komödien schrieb – und eine innere Stimme sagte mir, dass dem so war –, sollte ich vielleicht einfach anfangen, in meiner Umgebung nach neuen Ideen zu suchen. Ob ich nun Bernardo dafür entflammen konnte, war eine andere Frage, die ich zu gegebener Zeit klären würde. Vielleicht würde ich ihm auch zunächst gar nichts davon erzählen, schließlich war er verwundet und musste sich schonen.
»Nur wer selbst schreibt, der bleibt«, reimte Baldassarre mitten in meine Gedanken hinein. »Mit einer Hand oder zwei, er ist immer dabei. Er erschafft sich das Stück, beherrscht Leiden und Glück. Keiner kann es ihm nehmen, die Geschichte zu zähmen. Sie in Worte zu gießen, seine Kunst zu genießen.« Er räusperte sich und sprach versfrei weiter. »Vergiss den eifersüchtigen Mauren. Schreib ein anderes Stück. Hör auf das, was dir das Leben erzählt, und pack es in drei Akte. Aber mach eine Komödie daraus, mein Junge.«
Nach und nach kehrten alle Mitfahrenden zurück auf das Boot, und die Reise ging weiter. Diesmal blieb ich wach und betrachtete meine Umgebung. Den ruhig dahinströmenden Kanal, die stille Natur, in der nur hier und da einzelne Dorfflecken auftauchten.
Baldassarre hatte sich zwei Bänke vor mir neben eine schöne, dunkel gelockte Frau gesetzt, die er hin und wieder von der Seite ansprach, dafür aber nur ablehnende Blicke oder ungeduldiges Achselzucken erntete, was Baldassarre indessen nicht anfocht, denn immer wieder redete er mit der Frau. Offenbar hatte der Alte nach dem Debakel am Morgen seinen Mut nicht sinken lassen.
Ich sprach Cipriano, neben den ich mich gesetzt hatte, darauf an. »Baldassarre scheint mir trotz des schweren Verlustes recht gut beisammen.«
»Selbstverständlich ist er gut beisammen, denn er hat ein ganz ordentliches Geschäft gemacht.« Cipriano klopfte auf den Beutel an seinem Gürtel, der mir deutlich größer vorkam als noch vor Stunden.
»Aber ich dachte …«
»Nun ja, er ist ein formidabler Schauspieler, er hat sogar uns genarrt.« Unbehaglich hob Cipriano die Schultern. »Diesmal war es wirklich knapp, wir sind gerade noch weggekommen, und das nicht nur wegen Rizzo.«
Er sah meinen verständnislosen Blick, beugte sich nah zu mir hin und teilte mir im Flüsterton den Grund für Baldassarres ausgeglichene Gemütsverfassung mit.
»Der Alte hat die Gespanne zwei Mal verkauft. Der Fettsack war kaum weg, da kam der zweite Käufer und forderte sein Eigentum. Baldassarre erklärte ihm, er müsse sich die Wagen bei dem Räuber holen, der sie ihm kurz zuvor gestohlen habe, und er nannte ihm das Haus des angeblichen Diebs. Danach wurde es wirklich sehr eilbedürftig mit allem.«
Ich war erschüttert. »Lieber Himmel! Wie kann Baldassarre nur so etwas Dummes tun!«
»Weil er denkt, es würde klappen«, sagte Cipriano. »Tat es bisher ja auch immer. Aber oft eben nur haarscharf. Und es führt in der letzten Zeit immer häufiger dazu, dass wir in manche Orte nie wieder reisen können. Padua ist nun einer davon.«Ergeben hob er die Schultern. »Zwei oder drei Städte gehen auch auf Bernardos Konto. Ich denke, Padua können die zwei sich brüderlich teilen.«
»Aber wie hat Baldassarre es geschafft, dass ihm beide Käufer das Geld vor der Übergabe der Gespanne aushändigten?«
»Er hat ein Pfand hinterlassen.«
»Ein Pfand?«
»Das ist eine Sicherheit«, erklärte Cipriano.
»Ich weiß, was ein Pfand ist. Mir ist nur nicht klar, welches Pfand wertvoll genug
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