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Der König Der Komödianten: Historischer Roman

Titel: Der König Der Komödianten: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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schwer verletzen können.«
    Ich begriff. In Padua wäre sie auf dem harten Pflaster aufgeschlagen, hier am Kanal auf einer mit weichem Gras bewachsenen Böschung.
    »Über dem Wasser traue ich mich am meisten«, sagte sie. »Da kann ich alles zeigen.«
    »Dann ist Venedig ja geradezu ideal für dich«, meinte ich erfreut.
    »Das wird sich erst erweisen müssen.«
    Mir schien, sie sprach nicht nur vom Seiltanz, und ich erinnerte mich an unseren gestrigen Streit. Während ich noch überlegte, ob es wohl angebracht sei, mich für mein unfreundlichesVerhalten zu entschuldigen, trat Henry zu uns und verneigte sich tief vor Elena. »Madonna, lasst mich Euch meine Huldigung darbringen! Nie sah ich eine begnadetere Artistin! Welch kühne Eleganz, welche Grazie! Und das in Verbindung mit solcher Schönheit! Was für herrliches rotes Haar, und diese Augen!«
    Misstrauisch beobachtete ich ihn, auf der Suche nach einem Ausdruck von Falschheit in seinem Gesicht, zum Beweis, dass er Elena verlogenen Honig ums Maul schmierte, doch ich sah nur echten, unverstellten Enthusiasmus.
    Verdutzt folgte ich seinen Blicken und versuchte, Elena mit seinen Augen zu sehen. Zuerst fiel mein Blick auf ihr Haar. Wie flüssiges Kupfer leuchtete es in der Morgensonne, wallte ihr in ungezähmten Locken über die Schultern herab. Es war wirklich schön – wenn man rotes Haar mochte. Als Engländer hing Henry möglicherweise ausgefallenen Schönheitsidealen an, was auch angesichts seiner eigenen Haarfarbe durchaus nahelag. Gerade wollte ich den Rest ihrer Erscheinung genauerer Betrachtung unterziehen, als mir der Schreck in die Glieder fuhr: Über ihre Schulter hinweg sah ich jemanden näher kommen, den ich kannte.
    Schwarzbärtig, gewandet in ein starres Lederwams, die kurzen Beine in überlangen Stulpenstiefeln steckend – der Zwerg sah immer noch aus wie ein kleiner Capitano.
    Und doch war er weit davon entfernt, in seiner Kleinwüchsigkeit schwächlich zu wirken. An seinen Oberarmen und Schenkeln wölbten sich enorme Muskeln, und sein Rücken war sogar noch breiter als in meiner Erinnerung.
    Onkel Vittore hatte mich im letzten Jahr vor seinem Tod manchmal als wandelnden Kraftprotz bezeichnet, doch dieser Zwerg, der mir kaum bis zur Brust reichte, war gewiss doppelt so stark wie ich.
    »Da kommt Rodolfo!«, rief Henry erfreut. Er klopfte dem kleinen Mann auf die Schulter und strahlte ihn an. »Hast du gut geschlafen?«
    »Es geht«, sagte Rodolfo mit einer überraschend tiefen Bassstimme. Er musterte mich. »Ich kenne Euch. Ihr seid mir in einer Herberge in Padua aufgefallen, weil Ihr ähnlich gekleidet seid wie ich.«
    »Äh – ja.« Ich war erleichtert, dass er mich – wie schon von mir vermutet – allein aus diesem Grund gemustert hatte. Die vage Sorge, er könne mir im Auftrag gewisser Erbschleicher gefolgt sein, verflüchtigte sich.
    »Es ist ein Kostüm«, sagte Rodolfo.
    »Wie bitte?«, fragte ich perplex.
    »Ein Theaterkostüm.« Er klopfte auf seine harte Brust. »Ich gab darin einst den Capitano. Später fiel es mir schwer, mich davon zu trennen, also trage ich es immer noch.«
    »Was für ein Zufall! Meine Kleidung ist ebenfalls ein Capitano-Kostüm! Und als ich Euch gestern in jener Schenke in Padua sah, dachte ich tatsächlich, dass Ihr genauso ausseht wie ein …« Gerade noch rechtzeitig hielt ich inne, denn ich wollte nicht taktlos sein.
    »Ein zu kurz geratener Capitano?«, meinte Rodolfo. Seine tiefschwarzen, buschigen Brauen hoben sich ein Stück, als ich verlegen nickte.
    »Bei welcher Truppe wart Ihr?«, wollte Elena wissen.
    »Bei den Rapidi .«
    »Von denen hörte ich nie. Wo fanden Eure Auftritte statt?«
    »Es gab nur wenige, ausschließlich in Neapel, und es ist viele Jahre her. Ich war Schauspieler, Ansager und närrischer Spaßmacher in einem. Eine schöne Zeit war das.« Der Zwerg hob die massigen Schultern. »Der Intendant starb, die Truppe löste sich auf, bevor wir auf Reisen gehen konnten. Aber das Theater liebe ich immer noch und versäume nie eine Vorstellung, egal wohin es mich gerade führt.«
    Baldassarre trat in unseren Kreis. »In welchen Geschäften reist Ihr denn, wenn ich fragen darf ?«
    »Großvater!«, sagte Elena.
    »Was denn?«, gab Baldassarre zurück. »Ich frage aus reiner Höflichkeit!«
    »Mein Geschäft ist der Waffengang in Scharmützeln aller Art.« Rodolfo zeigte auf seinen Gurt, an dem er nicht nur einen Degen trug, sondern auch einen Krummdolch und einen Morgenstern, dessen langer

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