Der König Der Komödianten: Historischer Roman
Stiel ihm bis zum Knöchel hing.
Es faszinierte mich, diese Gerätschaften zum ersten Mal in natura zu sehen; das Kriegshandbuch von Onkel Vittore, in dem ich akkurate Zeichnungen von Waffen aller Art studiert hatte, war eben nicht dasselbe. Arkebuse und Pulverhorn hatte ich seit meinem Aufbruch von unserem Gut mittlerweile häufiger zu Gesicht bekommen. Auch Rodolfo musste eine Arkebuse besitzen, da er ebenfalls ein Pulverhorn am Gurt trug. Mein seit langem gehegter Wunsch, selbst einmal so einen Schießprügel mein Eigen zu nennen, oder wenigstens einen richtigen Degen, verstärkte sich beim Anblick des schwer bewaffneten Zwergs beträchtlich, und am liebsten hätte ich Aldos schartiges Messer auf der Stelle in den Kanal geworfen.
»Was tut Ihr in Zeiten des Friedens?«, fragte ich.
»Leibwächter, Wächter, Geleitschutz«, zählte Rodolfo auf. »Für Stunden, Tage oder Wochen, je nachdem wie lange meine Dienste gebraucht werden.«
»Ein nützliches Gewerbe«, warf Baldassarre ein. »Sicher habt Ihr gut zu tun.«
»Man kommt herum«, erwiderte Rodolfo.
»Großvater, er war früher Schauspieler«, sagte Elena.
»Wirklich?« Baldassarre musterte Rodolfo mit neu erwachtem Interesse. »Davon müsst Ihr mir mehr erzählen. In aller Ausführlichkeit. Vielleicht bei einem Humpen Bier vor unserem Aufbruch nach Venedig.« Er legte Rodolfo die Hand auf die Schulter und führte ihn zur Herberge.
Besorgt blickte ich ihnen nach.
»Keine Angst«, sagte Elena zu mir. »Diesmal will Großvater kaufen, nicht verkaufen.«
Cipriano gesellte sich zu uns; er schwenkte Baldassarres Hut, in dem es vielversprechend klimperte. »Der Tag fing gut an«, sagte er, während er Elena einen Teil des Geldes überreichte. Dann wandte er sich an mich und hielt mir ebenfalls einige Münzen hin. »Hier, dein Anteil. Der von gestern ist auch noch dabei.«
Verdattert nahm ich das Geld entgegen. Es war mindestens so viel, wie ich für meine Rolle als Quelljüngling bekommen hatte. »Wofür ist das?«
»Bei uns gilt die Devise: Einer für alle, alle für einen«, sagte Elena. »Jeder tut das, was er kann, und alle Anteile sind gleich. So haben wir es bei den Incomparabili seit Gründung der Truppe gehalten. Keiner bekommt mehr als der andere, alles wird redlich geteilt. Cipriano führt die Kasse. Die Hälfte aller Einnahmen aus den Vorführungen wird sofort aufgeteilt, die andere Hälfte für Quartier, Essen und Anschaffungen zurückgelegt.«
»Aber ich bin doch kein richtiges Truppenmitglied …«
»Du bist unser Bühnenhelfer und Autor«, sagte Elena.
»Ich dachte immer, ich wäre der Autor«, sagte Bernardo hinter mir. Er trat zu uns, einen griesgrämigen Ausdruck im Gesicht.
»Sicher bist du unser Autor«, erklärte Cipriano. »Aber Marco nun eben auch. So lange, bis du wieder vollständig … gesund bist. Hier, dein Anteil.«
Mit verquollenen Augen starrte Bernardo das Geld an. Die Strapazen des Vortags waren ihm noch deutlich anzumerken. Sein Gesicht unter dem Bartschatten war bleich und aufgedunsen, und sein Körpergeruch war auch nicht sonderlich einnehmend.
Mit Widerwillen erinnerte ich mich daran, dass er mit Caterina die Nacht verbracht hatte, doch ich tröstete mich damit, dass er auch bei objektiver Betrachtungsweise nicht aussah wie jemand, mit dem man gern das Bett teilte. CaterinasDuldsamkeit musste wahrhaft übermenschlich sein. Trotzig stellte ich mir vor, dass sie die fleischlichen Anforderungen ihrer Ehe ähnlich unbeteiligt über sich ergehen ließ wie Paulina, doch bei dem Versuch, mir auszumalen, wie es wohl von einem Deckenbalken aus betrachtet aussähe, versagte meine Vorstellungskraft.
Bernardo warf mir einen bösen Blick zu, entriss Cipriano die Münzen und marschierte zur Herberge zurück. Achselzuckend ging Cipriano ihm nach.
»Wir müssen langsam anfangen, unser Gepäck aufs Boot zu bringen«, sagte Elena zu mir. Wie immer hatten wir alle Requisiten über Nacht mit auf die Schlafkammern genommen, folglich gab es wieder einiges zu schleppen.
Mir fiel ein, dass ich mir Elenas Gesicht noch näher hatte anschauen wollen, doch sie hatte sich bereits abgewandt.
Bevor wir aufbrachen, zählte ich mein Geld und wandte mich anschließend an Cipriano. »Was schätzt du, wie viel ungefähr ein guter Degen kostet?«
Er nannte mir eine Summe, und resigniert musste ich erkennen, dass ich weit davon entfernt war, mir solchen Luxus leisten zu können.
Cipriano klopfte mir auf die Schulter. »Lass den Mut nicht
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