Der König der Lügen
Mittel und Gelegenheit — die heilige Dreifaltigkeit der Strafverfolgung. Douglas würde sie bei lebendigem Leib verspeisen, wenn er es wüsste. Also musste ich sicher sein, dass sie außer Gefahr war, bevor ich die Alibikarte ausspielte. Aber ich fühlte die Schwäche in mir; sie flatterte leise, tief in meinem Innern. Und seltsamerweise machte es mich stark zu wissen, dass sie da war. Ich sah Mills an. Ihr Gesicht bestand aus lauter harten Kanten und scharfen Linien. In ihren Brillengläsern sah ich mein eigenes Gesicht, verzerrt und unwirklich. Es war zu dicht an dem, was ich innerlich empfand, und so klammerte ich mich an diese Stärke und log noch einmal.
»Es ist so, wie ich es Douglas gesagt habe. Ich bin nach Hause gefahren. Ich war die ganze Nacht bei Barbara im Bett.«
Etwas regte sich in ihrem Gesicht, ein raubtierhafter Glanz, und sie nickte, als hätte sie gehört, was sie erwartet hatte. Oder gehofft hatte. Ihr Lächeln machte mich nervös, ohne dass ich wusste, warum.
»Und das ist alles?«, fragte sie. »Denken Sie gut nach.«
»Das ist alles.«
»Okay.« Sie startete den Motor und fuhr das letzte Stück bis zu meinem Haus. »Verlassen Sie die Stadt nicht«, sagte sie, als ich ausstieg.
»Haha«, sagte ich. »Sehr komisch.«
»Wer macht hier Witze?»Wieder dieses beunruhigende Lächeln. Sie fuhr rückwärts aus der Einfahrt und verschwand. Ich zündete mir eine Zigarette an und betrachtete die leere Straße, wo eben noch ihr Wagen gewesen war. Und dann wusste ich es — warum ihr Lächeln mich beunruhigte. Ich hatte es schon gesehen, im Gericht, kurz bevor sie einem Verteidiger, der das Pech gehabt hatte, sie zu unterschätzen, den Teppich unter den Füßen wegzog.
DREIZEHN
V or langer Zeit hatte ich einen Mandanten, meinen ersten Mordfall. Ich war jung und hatte meinen Idealismus noch, und obwohl er schuldig war, hatte ich Mitleid mit ihm. Er hatte seinen Nachbarn unter Alkoholeinfluss in einem Streit um die gemeinsame Einfahrt erschossen. Dass die Waffe geladen war, hatte er nicht gewusst. Er hatte dem Kerl nur Angst einjagen wollen — eine ganz alltägliche Geschichte —, und plötzlich hatte der Mann ein blutiges Loch in der Brust gehabt.
Der Prozess dauerte acht Tage. Die Mordanklage konnte ich abwehren, aber die Geschworenen einigten sich auf Totschlag. Mein Mandant kassierte siebeneinhalb Jahre, was alles in allem nicht so schlecht war. Zwei Stunden nach dem Urteilsspruch rief man mich in die Krankenabteilung des Gefängnisses. Mein Mandant hatte bei einem gescheiterten Selbstmordversuch eine halbe Gallone Reinigungsflüssigkeit getrunken. Die Wärter in der Verwaltung lachten sich darüber kaputt: Im Gefängnis, erklärten sie grinsend, benutzte man nur ungiftige Mittel. Mein Mandant würde eine Woche grün scheißen und dann wieder gesund sein. Passierte dauernd. Zwinker-zwinker, haha!
Ich besuchte meinen Mandanten auf der Krankenstation. Er lag wie ein Fötus zusammengerollt da und weinte, ohne mich und den Wärter, der Selbstmörderwache hatte, zur Kenntnis zu nehmen. Es dauerte fünf Minuten, bis er mich ansah, und noch einmal fünf, bis er reagierte.
»Kapieren Sie es nicht?«, fragte er flehentlich.
Ich war sprachlos, hilflos. Ich kapierte es nicht.
»Sehen Sie mich an.«
Ich schüttelte den Kopf, um zu zeigen, dass das nicht genügte.
Da fing er an zu schreien, und die Adern an seinem Hals traten dick hervor. »Sehen Sie mich an!«
Ich blickte zu dem teilnahmslosen Wärter, und der zuckte die Achseln. »Er ist ein klassisches Luder«, sagte er. »Schauen Sie ihn sich doch an.« Mein Mandant war klein und hatte eine gute Figur; er hatte helle Haut und ebenmäßige weiße Zähne. Er war attraktiv, vielleicht sogar hübsch.
Plötzlich, und mit Übelkeit im Bauch, kapierte ich.
»Ich kann nicht noch mal ins Gefängnis«, erklärte er schließlich. »Vorher sterbe ich. Verdammte Scheiße, ich bringe mich um.« Er schwor es mir. »So oder so.«
Irgendwann kam die Geschichte ans Licht. Dass er schon mal gesessen hatte, wusste ich. Etwas anderes wusste ich nicht: Da war eine Gruppe gewesen. Manchmal nur drei oder vier. Manchmal sieben. Sie hatten ein Playboy-Centerfold mit Klebstreifen auf seinem nackten Rücken befestigt und sich nacheinander an ihm vergangen — und ein Schraubenzieher in seinem Ohr hatte dafür gesorgt, dass er stillhielt. Er zeigte mir die Narbe, die er davongetragen hatte, als er sich doch einmal gewehrt hatte. Auf dem Ohr war er immer noch taub.
Er
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