Der König der Lügen
meinem Leben. Noch eine wäre das Letzte, was ich jetzt gebrauchen kann.« Ich wollte aufstehen, aber er legte mir die Hand auf den Arm.
»Die da brauchen Sie nicht in Ihr Leben zu lassen, Work. Höchstens an Ihre Hose. Vertrauen Sie mir.«
»Trotzdem vielen Dank«, sagte ich. »Vielleicht ein andermal.«
Hank zuckte die Achseln. »Wie Sie wollen. Aber hören Sie bevor Sie gehen.« Seine Stimme wurde leise und ernst. »Sehen Sie sich vor, okay? Dieser Fall kriegt eine Menge Publicity, sogar hier in Charlotte. Wer immer daran arbeitet, wird keine Hemmungen haben, jemandem auf die Füße zu treten. Also halten Sie Ihren Arsch bedeckt.«
Einen Moment lang befürchtete ich, ich sei unbesonnen gewesen und hätte zu viel preisgegeben, so dass er die größeren Zusammenhänge erahnt hatte. Aber in seinem Blick war nichts als Wohlwollen.
»Das werde ich tun.« Ich legte einen Zwanziger auf den Tisch.
»Hey, Mann, das geht auf mich.«
»Spendieren Sie Ihren Freundinnen eine Runde für mich. Wir sprechen uns später.«
Draußen starb der Tag einen schleichenden, violetten Tod. Sein Atem ging als seufzender Wind durch die fast leeren Straßen. Eine schmale orangefarbene Klinge zerschnitt die dunklen Wolken und verblasste allmählich. Ich spürte die Hitze des Tages, die im Asphalt unter meinen Füßen gefangen war. Ich musste dabei an die Hölle denken, aber noch während des Gehens wurde der Boden kühler.
Wenn ich Jean rettete, wollte ich sie ganz und gar retten, und das bedeutete, dass ich mich mit Alex befassen musste. Dazu brauchte ich Informationen, und da kam Hank ins Spiel. Er sollte die Wahrheit über Alex aufstöbern, herausfinden, was in ihr vorging. Jean liebte Alex. Okay. Aber was wollte Alex? So sehr ich mich bemühte, die Fähigkeit, jemanden zu lieben, konnte ich an ihr nicht entdecken. Doch sie sah etwas in meiner Schwester. Und ich wollte sicher sein, dass es nichts Schlechtes war.
VIERZEHN
A ls ich die Interstate erreicht hatte, fuhr ich, was der Pick-up hergab, und vierzig Minuten später bog ich in Jeans Straße ein. Die Straßenlaternen waren ausgebrannt oder kaputt, aber hinter ihren Fenstern schimmerte Licht. Als ich aus dem Truck stieg, hörte ich fernes Hundegebell, und Grillen zirpten im Gestrüpp an den Bahngleisen. Irgendwo lief ein Fernseher. Ich stieg die flachen Stufen zu ihrer Veranda hinauf und spähte durch den schmalen Spalt zwischen den Vorhängen. Das Zimmer dahinter war dunkel, doch ich sah sie in der Küche am Tisch. Jean hatte mir den Rücken zugewandt, und über ihre Schulter hinweg konnte ich undeutlich Alex' Gesicht erkennen. Kerzen auf dem Tisch verbreiteten ein warmes Flackerlicht, und ich hörte Jean lachen. Wer war ich, dass ich über Alex urteilte? Ich hatte meine Schwester seit jener längst vergangenen Nacht nicht mehr zum Lachen gebracht, als ihr Mann mit der Babysitterin wegfuhr und Jeans Welt sich auf einem Rastplatz an der 1-85 in Luft auflöste.
Beinahe wäre ich wieder weggefahren, aber da gab es immer noch eine Leiche — und die Gewissheit, dass Mills keine Ruhe geben würde. Ich klopfte, und das Lachen erstarb. Ich hörte Stühlerücken. Dann war Jean da. Mit schwerem Blick und voller Überraschung sprach sie meinen Namen aus. Hinter ihr runzelte Alex verärgert die Stirn, schlang Jean einen Arm um den Hals und umfasste ihre Schulter mit langen, spitz zulaufenden Fingern.
»Hi, Jean«, sagte ich. »Entschuldige, dass ich dich störe.«
»Was willst du hier?«
Ihr Gesichtsausdruck war nicht so kalt wie bei meinem letzten Besuch, und ich warf einen kurzen Blick in Alex' Augen, die aussahen wie zwei schwarz glänzende kleine Steine. »Hat Alex dir nicht gesagt, dass ich hier war und nach dir gefragt habe?« Jean verlagerte ihr Gewicht, und ich sah, wie Alex den Arm fester um sie schlang.
»Nein«, sagte Jean unsicher und drehte den Kopf ein kleines Stück zur Seite, bevor sie mich wieder ansah. »Sie hat es nicht erwähnt.«
Ich schaute zwischen den beiden hin und her — von Jeans blassem Gesicht zu den spröden Konturen ihrer Geliebten. Jeans Augen waren feucht, und ich hatte den Eindruck, sie roch nach Wein. »Darf ich reinkommen?«, fragte ich.
»Nein«, sagte Alex, bevor Jean antworten konnte. »Es ist schon spät.«
Jean legte ihr die Hand auf den Arm und drückte ihn kurz. »Lass nur«, sagte sie, »es ist okay. Er kann reinkommen.« Sie schenkte mir ein halbes Lächeln, und Dankbarkeit durchflutete mich.
»Danke.« Ich betrat ihr Haus und roch
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