Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
ab. Jonah hatte den ganzen Abend schon das unbestimmte Gefühl gehabt, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Sie war anders als sonst. Bedrückt. Er war keineswegs sicher, ob er den Grund erfahren wollte. Er mochte Annot gern, keine Frage. Er hatte sie immer gemocht, und jetzt, da sie sich besser kannten, waren sie Freunde geworden. Aber er war nie besonders erpicht darauf, dass jemandihm sein Herz ausschüttete, erst recht nicht dann, wenn er für die Zeit bezahlen musste.
    Er stand auf und griff nach seinen Hosen.
    »Ich bin schwanger«, sagte sie hinter ihm.
    Du meine Güte, das ist ja die reinste Seuche, dachte er. Rachel machte neuerdings morgens nach dem Melken immer einen Umweg über den Abort im Hof, weil ihr vom Geruch der frischen Milch sterbenselend wurde. Genau genommen war ihr den ganzen Tag schlecht.
    Jonah schnürte seine Hosen zu, zog das Wams über den Kopf und drehte sich wieder zu ihr um. »Na ja … das war zu erwarten, oder?«
    Sie warf ihm einen strafenden Blick zu. »Davon wird es nicht besser.«
    »Nein.«
    »Sie … schickt mich aufs Land. Nächste Woche soll ich gehen, ehe man es sieht.«
    »Wohin aufs Land?«
    Sie hob die Schultern. »Das sagt sie mir nicht, damit ich keine Kundschaft hinbestelle und auf eigene Rechnung arbeite.«
    »Schick mir einen Boten, wenn du dort bist. Ich gebe dir das Geld dafür. Wäre ja möglich, dass du mal irgendetwas brauchst.«
    Sie lächelte zu ihm auf. »Dich zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel.« Er setzte sich auf die Bettkante, zog sie näher und küsste sie mit Hingabe. »Weißt du, es hat auch eine gute Seite.«
    »Ah ja?« Sie verdrehte ungeduldig die Augen. »Ich werde monatelang kein Geld verdienen, meine Stammkundschaft verlieren, es wird meine Figur nicht besser machen, außerdem ist das Kinderkriegen eine elende Schinderei, und vielleicht kommt wieder ein kleiner schwachsinniger Krüppel dabei heraus. Also sag mir, was daran gut sein soll.«
    »Deine Abwesenheit hier macht es möglich, einen Plan in die Tat umzusetzen, der mir seit ein paar Wochen durch den Kopf geht.«
    »Wovon redest du?«
    Jonah erklärte es ihr. Annot lauschte ihm gebannt. Ihre Augen wurden immer größer, und schließlich breitete ein zufriedenes Lächeln sich auf ihrem Gesicht aus. »Lilian«, sagte sie entschieden. »Lilian ist die Frau, die du brauchst.«
     
    Jonah ritt nach Kent und Essex und bis hinauf nach Suffolk, um Rohwolle und preiswertes leichtes Tuch zu kaufen. Sein Kontrakt belief sich dieses Mal auf einhundert Ballen, die er im September liefern musste, und zwar in York. Dieses letzte Detail war besonders brisant, denn es deutete darauf hin, dass sich im Norden etwas zusammenbraute. William de la Pole, hatte Annot Jonah berichtet, war in seine Heimatstadt Hull im Norden zurückgekehrt und ließ buchstäblich ganze Schiffsladungen Wein dorthin bringen. Er war zum königlichen Mundschenk in Yorkshire ernannt worden. Aber selbst der trinkfreudige Edward konnte all diesen Wein nicht für sich selbst wollen. Was de la Pole tatsächlich tat, war, Vorräte und Proviant für den geheimsten Schottlandfeldzug aller Zeiten anzulegen. Immer noch ahnte niemand in England, geschweige denn in Frankreich, welch akribische Vorbereitungen der König traf. Um jedoch eventuellen Mutmaßungen dies- und jenseits des Kanals vorzubeugen, ließ der Chancellor und Erzbischof Stratford das Gerücht ausstreuen, in Irland stehe eine Revolte bevor und Edward bereite einen Feldzug gegen den selbsternannten König der Iren vor.
    Jonah war mit dem Ergebnis seiner Reise sehr zufrieden. Von Annot und aus anderen Quellen hatte er die Namen der Agenten erfahren, die für William de la Pole Rohwolle aufkauften. Er suchte sie auf und beauftragte sie, für ihn ebenfalls tätig zu werden. So konnte er sicher sein, dass die besten Männer für ihn arbeiteten, und musste nicht selbst von Dorf zu Dorf, von Wollmarkt zu Wollmarkt ziehen, um seine Wolle zusammenzubekommen. Der Kontrakt band mehr Kapital, als ihm lieb war, doch er ging davon aus, dass er zumindest zwanzig Sack Wolle kaufen konnte, die ihn schätzungsweise dreißig Pfund kosten würden. Mehr wagte er nicht in seinen neuen Geschäftszweig zuinvestieren, aber zwanzig Sack Wolle waren ein Anfang, der sich sehen lassen konnte. Jeder Sack enthielt immerhin dreihundertvierundsechzig Pfund Wolle; mehr als zweihundertfünfzig Schafe mussten geschoren werden, um ihn zu füllen. Sein flämischer Weber – wenn er denn je kam – würde nicht mehr als fünf

Weitere Kostenlose Bücher