Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)
Signore Bardi? Sagt man das, ›Signore‹?«
Der Bankier, der nur wenig älter schien als er selbst, sah überrascht auf und nickte mit einem verhaltenen Lächeln. »Natürlich. Und ja, so sagt man.«
»Dann erklärt mir: Wie funktioniert Euer Geschäft?«
Bardi lachte verblüfft. »Das war sehr direkt.«
Jonah hob hilflos die Schultern. »Ja. Es wäre wohl besser gewesen, erst über die Vortrefflichkeit der Speisen mit Euch zu plaudern, aber dergleichen liegt mir nicht.«
Der Italiener schien fast erleichtert. »Mir auch nicht, obwohl es über die Vortrefflichkeit der Speisen allerhand zu sagen gäbe. Vom Wein ganz zu schweigen.« Er winkte einen Pagen heran, der den Becher, den sie teilten, wieder auffüllte. »Erlaubt mir eine Gegenfrage, Master Durham: Wollt Ihr Geld leihen?«
Genauso undiplomatisch wie ich, dachte Jonah amüsiert. »Nein.«
»Ah. Also dann. Wir verdienen unser Geld damit, anderer Leute Geld zu verleihen. Auch unser eigenes, versteht sich. Doch vor allem das der Leute – hauptsächlich Kaufherren und reiche Adlige –, die uns ihr Geld zur Vermehrung anvertrauen. Wir verleihen es gegen Zins. Den Zinserlös teilen wir mit den Geldgebern.«
Einfach und profitabel, dachte Jonah bewundernd. »Das heißt, Eure Geldgeber wissen nicht, an wen ihr Geld verliehen wird?«
»Nein. Sie vertrauen darauf, dass wir die Kreditwürdigkeit unserer Kunden gewissenhaft überprüfen. Was wir meistens auch tun.«
»Meistens?«
Bardi lächelte zurückhaltend und warf unwillkürlich einen Blick in König Edwards Richtung. »Nun ja, Sir, es gibt Leute, zu denen man unmöglich ›nein‹ sagen kann.«
»Verstehe. Und ich nehme an, dass auch umgekehrt Eure Kreditnehmer nicht wissen, wer die Geldgeber ihres Darlehens sind?«
»So ist es.«
»Und was ist mit denen, deren Kreditwürdigkeit in Frage steht?«
»Nun, Sir, in dem Falle verlangen wir Sicherheiten.«
»Zum Beispiel?«
Bardi hob vielsagend beide Hände. »Ganz unterschiedlich. Eine Bürgschaft, ein Schiff, Land – etwas, woran wir uns schadlos halten können, wenn die Rückzahlung ausbleibt.«
Jonah nickte nachdenklich.
Der Italiener hob den Becher an die Lippen und trank, ließ seinen Tischnachbarn aber nicht aus den Augen. »Werdet Ihr mir verraten, wozu Ihr all das wissen wollt, wenn Ihr kein Geld leihen wollt?«, fragte er, nachdem er wieder abgesetzt hatte.
»Ich erwäge, ein bisschen Geld zu ver leihen. Unter bestimmten Bedingungen.«
»Ah. Dann solltet Ihr mit meinem Vater reden.«
»Ich rede aber viel lieber mit Euch. Seht Ihr, es ist so …« Aber ehe er Giuseppe Bardi von seinem Plan erzählen konnte, hob der König die Hand, die Musiker verstummten augenblicklich, und Stille senkte sich auf den großen, festlich geschmückten Saal herab.
Edward lächelte sein gewinnendes, schelmisches Lächeln. Er wechselte einen verstohlenen Blick mit der Königin, die ihm ebenso verstohlen zunickte. Dann sagte er: »Es ist eine große Freude für die Königin und mich, heute mit so vielen vertrauten Freunden und Weggefährten die Geburt unserer geliebten Tochter Isabella zu feiern. Und ihr alle sollt Zeuge sein und hören, wie ich der Königin nochmals für dieses … unbeschreibliche Geschenk danke. Trinkt mit mir auf das Wohl der kleinen Isabella und ihrer Mutter, der Perle von Hainault.«
Alle Gäste erhoben sich von den Bänken an den langen Tafeln, ergriffen ihre Becher und donnerten: »Auf die kleine Isabella und ihre Mutter, die Perle von Hainault!«
Edward strahlte, nahm einen tiefen Zug aus seinem kostbaren Pokal, ergriff Philippas Hand und sah ihr für einen Moment in die Augen. Dann wandte er sich wieder an die Versammelten. »Eine Sache möchte ich noch tun, ehe ich euch alle wieder dem Fest, der Musik und dem Tanz überlasse.« Er räusperte sich kurz. Er wirkte nicht nervös, war sich seiner Sache offenbar völlig sicher, aber in Momenten wie diesem wurde so manchem bewusst, wie jung der König noch war. »Seit knapp zwei Jahren halte ich die Regierung jetzt in meinen Händen«, fuhr er fort. »Ihr alle, die ihr mich und die Königin auf diesem Weg begleitet habt, wisst, dass wir einiges erreicht haben, aber viel mehr noch zu tun ist. Und ich habe gelernt … nein, ich habe eigentlich immer gewusst, dass ein König nichts ist ohne die Unterstützung seiner Getreuen. Ihr alle habt sie mir entgegengebracht, und ich danke Gott für die Freunde, die er mir geschenkt hat. Ihr … ihr alle wisst, dass wir glückliche und schreckliche
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