Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)
Säcke in einem Jahr verarbeiten können. Der Rest war für den Export. Hätte ich doch ein eigenes Schiff, dachte er, dann bräuchte ich keinem Dritten Frachtgebühr zu bezahlen, sondern könnte vielmehr die Wolle anderer Exporteure für gutes Geld nach Flandern bringen. Und hätte ich eine eigene Anlegestelle, bräuchte ich keine Liegegebühr für mein Schiff zu entrichten …
Eine schlicht gekleidete, sehr schöne junge Frau betrat Hillocks Tuchladen in Cheapside. Die glänzend schwarzen Flechten waren unbedeckt und reichten bis auf die schmalen Hüften hinab.
Rupert fuhr sich hastig über Haar und Bart, um sich zu vergewissern, dass er eine ordentliche Erscheinung bot, und trat dann aus dem Lager nach vorn. »Guten Morgen, mein Kind. Was kann ich für Euch tun? Ihr seid fremd in dieser Gegend, nicht wahr?«
Sie lächelte schüchtern. »Ganz recht. Ich suche einen Kaufmannslehrling namens Jonah. Bin ich hier richtig?«
Ruperts Miene verfinsterte sich merklich. »Diesen Lumpen hab ich schon lange davongejagt.«
Ihre Augen weiteten sich. »Oh … Es kann nicht der sein, den ich meine. Mir wurde gesagt, er sei wie kein Zweiter in der Lage, einer Dame zu helfen, den richtigen Stoff für ein Kleid zu finden. Für einen besonderen Anlass, wenn Ihr versteht, was ich meine.«
Ihr scheues Auftreten entwaffnete ihn, und er war hingerissen von der straffen Mädchenbrust, die sich unter ihrem Kleid abzeichnete. »Vermutlich ist er derjenige, den man Euch empfohlen hat, aber was er über Tuch weiß, hat er von mir gelernt. Ich denke, Ihr solltet Euer Glück mit mir versuchen. Was für ein Anlass ist es denn?« Er war ehrlich neugierig. Bei einer Hochzeit oder Verlobung wäre es üblicher, dass die Mutter der Braut denStoff für das Kleid auswählte. Überhaupt war es ungewöhnlich, dass ein junges Mädchen, das offensichtlich keine Magd war, ohne Begleitung einkaufen ging, noch dazu in einer fremden Gegend.
»Es ist … für ein Fest.« Sie kicherte. »Ein Fest, zu dem Kaufherren und Ritter und Aldermen und dergleichen feine Gentlemen geladen sein werden.«
»Nun, dann solltet Ihr ein besseres Tuch nehmen. Ich würde Euch Blau vorschlagen, passend zu Euren Augen.« Sie senkte hastig die Lider, und er lächelte väterlich über so viel Keuschheit. »Ihr solltet Euch so hübscher Augen weiß Gott nicht schämen, mein Kind.«
Sie lächelte wieder, unsicher, sah ihn an und nahm die Unterlippe zwischen die Zähne, als sei sie von ihrer eigenen Kühnheit überrascht. »Könntet Ihr mir etwas Passendes zeigen?«
»Aber gewiss. Hier hätte ich einen leichten Wollstoff aus Salisbury.« Er holte einen Ballen vom Regal. »Seht Ihr, er ist nicht allzu fest gewalkt – genau das Richtige für diese Jahreszeit.«
»Ich dachte eher an Leinen.«
Er nickte zustimmend. »Ja, ich hätte auch ein passendes Leinen, es ist nur etwas teurer.« Er holte einen zweiten Ballen herbei und rollte ein großzügiges Stück auf dem Ladentisch ab, damit sie das Material im einfallenden Sonnenlicht bewundern konnte.
»Süßer Jesus …«, flüsterte sie, trat an den Tisch und strich zögernd mit dem Zeigefinger der Rechten über das glatte Gewebe. »Wie wunderschön.«
»Nicht wahr?« Rupert atmete unauffällig tief durch. Sie war nur noch einen Schritt von ihm entfernt, und sie duftete wunderbar. Auf dem Obstmarkt von Cheapside bekam man hin und wieder Orangen. Wenn Rupert spendabler Laune war, kaufte er eine für Elizabeth. Und wenn man diese leuchtend rotgelbe Frucht aus dem heidnischen Spanien aufschnitt, dann entströmte ihr ein Duft, der unvergleichlich süß war und doch in der Nase prickelte. Genau so roch diese Frau.
»Und was kostet es?«, fragte sie.
»Fünf Shilling pro Yard. Viereinhalb für Euch«, fügte er nach einem winzigen Zögern hinzu.
Sie zog hörbar die Luft ein. »Du meine Güte … Es ist sehr großzügig von Euch, dass Ihr mir entgegenkommen wollt, aber ich fürchte, ich kann es mir nicht leisten.«
Was hast du geglaubt, dumme Gans, dass wir unser Leinen hier verschenken, nur weil dies keine vornehme Gegend ist? Er zuckte unverbindlich mit den Schultern. »Es sind der Farbstoff und die Qualität des Garns, die es ein wenig teurer machen, aber dafür ist es auch ein außergewöhnlich schöner Stoff.«
Sie nickte bekümmert, öffnete den Beutel, schüttete den Inhalt in ihre Hand und zählte. Ihre herrlich roten, vollen Lippen bewegten sich dabei. Dann schüttelte sie seufzend den Kopf. »Es reicht nicht. Ach, es
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