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Der Koenig geht tot

Der Koenig geht tot

Titel: Der Koenig geht tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Heinrichs
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die Felder spazieren konnte.
    Robert überlegte, wie er die Distanz zwischen Buchenhecke und Hauswand überwinden konnte ohne aufzufallen. Ganze sechs Meter mußte er zurücklegen, ohne auch nur einen Schatten ins Hausinnere zu werfen. Er erinnerte sich, daß man in irgendeinem Shakespearestück einen tragbaren Busch zur Tarnung verwendet hatte. Oder war es ein ganzer Wald gewesen? Leider war ein solches Requisit nicht in greifbarer Nähe. Robert mußte sich also auf Schnelligkeit konzentrieren. Jetzt! Er hechtete nach vom, lief gebückt die paar Schritte und preßte sich mit dem Rücken an die Hauswand. Diese Seite des Hauses war nur mit wenigen Fenstern bestückt. Robert versuchte, sich in Gedanken die Architektur des Hauses vorzustellen. Nach hinten zum Garten waren mehrere türhohe Terrassenfenster, an dieser Seite ein größeres normales Fenster und zwei ganz kleine. Das größere gehörte vermutlich zur Küche, die dann ans Wohnzimmer angrenzte. Die beiden kleinen gaben vermutlich Gästetoilette und Abstellraum Licht. Typischer Einfamilienhausbau: Planen Sie Ihr Haus selbst, aber halten Sie sich an unsere Vorgaben!
    Robert würde den ersten Blick am Küchenfenster riskieren. Mit dem Rücken zur Wand näherte er sich vorsichtig. Zu hören war gar nichts. Alle Fenster waren geschlossen. Robert schob seinen Oberkörper weiter nach oben. Schon nach drei Sekunden hatte er gepeilt, daß die Küche leer war. Er wagte sich höher. Durch die geöffnete Küchentür konnte er einen Ausschnitt des Wohnzimmers sehen. Wenn er sich nicht täuschte, war das Alexas Lockenkopf von hinten in einem schwarzen Ledersessel. Sie bewegte sich überhaupt nicht. Eine andere Person konnte er nicht erkennen. Robert begann zu schwitzen. War Alexa vielleicht schon tot? Umgebracht, um eine Mitwisserschaft zu verhindern? Oder war sie gefesselt? Das beflügelte Robert. Er konnte vielleicht noch etwas tun! Zügig bewegte er sich an der Wand entlang auf die Hausecke zu. Er mußte gleich die Terrassenfenster erreicht haben. Geschafft! Direkt hinter der Ecke war noch Platz, um sich zu verstecken. Daneben schloß sich die erste Glastür an. Robert mußte es wagen, auch wenn die Täterin noch im Raum war. Er beugte sich ruckartig vor. In dem Augenblick wurde die Tür aufgerissen. Es hörte sich beinah an wie ein Donnergrollen, als sie mit voller Wucht vor Roberts Stirn knallte.

37
    Johannes Osterfelds Büro befand sich am anderen Ende des langen Flures. Hinter der Tür, die wie alle anderen geschäftsmäßignüchtern war, offenbarte sich ein ganz eigenes Reich: Ein großer, lederner Chefsessel, die beiden Bittstellerstühle davor eher schlicht, aber von klarem Design. Wahrscheinlich ließen sie beim Sitzen schon jedermann spüren, daß man sich gegenüber Johannes Osterfeld nicht gerade wohlzufühlen hatte. Der Schreibtisch ein antikes Meisterwerk aus Eiche und mit stilvollen Verzierungen. Ich sah sie mir genauer an. Es waren Tiermotive, die an den Tischkanten entlang eingeschnitzt waren. Entgegen Osterfelds lokalpatriotischer Ader stammten sie jedoch weniger aus heimischen Wäldern als aus fernen Ländern. Jedenfalls hatte ich auf keinem meiner Waldspaziergänge jemals ein Gnu entdeckt, und diese anderen Hörnertiere sahen auch irgendwie exotischer aus als die regionalen Rehe, die gelegentlich von Autos umgenietet wurden. Es wunderte mich nicht, daß direkt vor Johannes Osterfelds Arbeitsplatz ein Löwe eingraviert war. So sah sich der Jungunternehmer wohl im stillen: nicht als »Diener seiner Mitarbeiter«, wie er es zuvor während der Betriebsbesichtigung allzu blumig beschrieben hatte, eher als Löwe, der mutig und risikobereit seine Stellung verteidigt.
    »Sie sind während Ihrer Führung gar nicht auf Ihre Niederlassung im Osten eingegangen!« eröffnete ich das Gespräch. »Es hätte mich schon interessiert, etwas mehr über diese Erweiterung zu hören.«
    Osterfeld sah mich einen Augenblick überrascht an, antwortete dann aber mit gewohnter Selbstsicherheit.
    »Nun, sicher hätten meine sauerländischen Freunde es statt meiner Investition im Osten lieber gesehen, wenn ich das hiesige Werk vergrößert hätte – allein der Standortsicherung wegen. Ich wollte das Thema daher nicht wieder auffrischen – wenngleich mir niemand ernsthaft verübeln kann, daß ich den AufbauOst vorantreiben möchte.«
    »Von den Steuervorteilen, die dortige Investitionen bieten, einmal ganz abgesehen«, ergänzte ich.
    »Natürlich!« stimmte Osterfeld zu. »All

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