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Der König und die Totenleserin3

Der König und die Totenleserin3

Titel: Der König und die Totenleserin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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Schwester«, erklärte Emma – sie sprach den Namen ihres toten Mannes niemals aus, wenn es nicht unbedingt nötig war. »Eine Witwe, deren Kinder vor ihr starben, sodass sie ein hübsches Stück Land bei Tring geerbt hat, das rechtmäßig meinem Kleinen zusteht. Ihr Schwager ficht unseren Anspruch an, aber dieser Sir Gerald ist ein elender Knauser. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er viel Geld für ihren Kämpen ausgibt.«
    »Und Master Roetger ist teuer?«, erkundigte sich Adelia.
    »Fürwahr. Ich musste ihn aus Deutschland kommen lassen. Wir brauchten den Besten.«
    »Aber damit überlässt du schwerlich Gott die Entscheidung, oder?«
    »Ach, Gott hätte so oder so für uns entschieden.« Emma blickte nach unten auf den mit Samt ausgeschlagenen Korb, in dem Baron Wolvercote reiste, der gerade genüsslich am Daumen lutschte. »Nicht wahr, Pippy? Nicht wahr, mein Schätzchen? Gott schützt doch immer die Unschuldigen.«
    Dich hat Er nicht beschützt, dachte Adelia. Niemand hätte unschuldiger sein können als das fröhliche junge Mädchen, das in dem Kloster aufwuchs, in dem Adelia ihr erstmals begegnet war, demselben Kloster, in das Wolvercote und seine Männer eingedrungen waren, um sie zu verschleppen.
    Aber Adelia wies Emma nicht auf die Unlogik ihrer Behauptung hin – es hätte nichts genützt. Das Mädchen hatte sich zwangsläufig verändert. Wolvercote hatte sie nicht mal um ihrer selbst willen begehrt, sondern wegen der Truhen voller Geld, die sie von ihrem Vater, dem Weinhändler, erben würde.
    Die Emma von heute besaß noch immer die Selbstsicherheit, die das Gold ihres Vaters ihr geschenkt hatte, aber sie war versessen auf den unverhofften Besitz von Grund und Boden in verschiedenen Teilen des Landes, mit Herrenhäusern, Mühlen, Flüssen, Wäldern und saftigen Viehweiden, die ihr Vergewaltiger besessen hatte und die ihrer Ansicht nach jetzt ihr Sohn haben sollte, komme, was da wolle. Sie hatte eine neue Härte an sich, einen verbissenen Zug um den jungen Mund, eine Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben anderer, die stark an den Mann erinnerte, der sie missbraucht hatte.
    Noch schlimmer war, dass sie ihre Singstimme verloren hatte. Durch sie war Adelia in der Abtei von Godstow erstmals auf Emma aufmerksam geworden – ein klarer Sopran, der die Wechselgesänge des Nonnenchors so herrlich anführte, dass Adelia, die eigentlich nicht viel für Musik übrig hatte, völlig verzaubert war und sich allein dadurch, dass sie ihn hörte, dem Himmel näher wähnte.
    Doch als sie Emma jetzt bat, etwas zu singen, weigerte die sich. »Ich habe kein Lied mehr in mir.«
    Sie waren zwar Freundinnen, doch Adelia vermutete, dass Emma sie nicht bloß aus Zuneigung gebeten hatte, sie auf der Reise zu begleiten. Der kleine Pippy war vorzeitig zur Welt gekommen und noch immer untergewichtig für sein Alter. Seine Mutter wollte den einzigen Arzt in der Nähe haben, dem sie vertraute: Adelia.
    Als sich das nächste Mal eine Rastmöglichkeit neben der Straße bot, machten sie Halt, um sich zu erfrischen und den Pferden ein wenig Erholung zu gönnen. »Findest du, dass er blass aussieht?«, fragte Emma, die mit besorgtem Blick beobachtete, wie die Amme Pippy aus seinem Korb hob, um ihn mit der kleinen Allie auf dem Gras herumtollen zu lassen.
    Das Kind sah zweifellos weniger robust aus als Allie, auch wenn man den Altersunterschied von zwei Jahren berücksichtigte, doch Adelia sagte: »Bei diesem Wetter kannst du ihm gar nichts Gesünderes bieten.« Sie hielt es für unendlich wichtig, Kindern viel Bewegung an der frischen Luft zu ermöglichen. Immerhin konnte Emma sich die teuersten Gasthäuser und damit auch eine andere wichtige Erfordernis für Kinder leisten – gutes Essen.
    In St. Albans erhielten die Reisenden beides.
    Adelia war zunehmend unruhig geworden, je näher sie der Stadt kamen, doch ein Wort unter vier Augen mit dem Wirt vom »Pilgrim’s Rest« beruhigte sie: Der Bischof war unterwegs.
    »Es heißt, er hilft unserem König, die verdammten Waliser niederzuschlagen«, sagte der Wirt. »Unser Bischof ist ein ausgezeichneter Kämpfer und ein guter Seelsorger obendrein.«
    Verdammter Rowley, dachte Adelia. Ich mach mir Sorgen, wenn ich ihn vielleicht wiedersehen muss, und ich mach mir Sorgen, wenn ich es nicht muss. Ausgezeichneter Kämpfer, zum Donnerwetter, was fällt ihm ein, in den Kampf zu ziehen?
    St. Albans wimmelte von Pilgern, die am Grab von Englands erstem christlichen Märtyrer beten wollten.

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