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Der König und die Totenleserin3

Der König und die Totenleserin3

Titel: Der König und die Totenleserin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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mit Guinevere und ihrem Ehebruch wurden in Burgen und Herrenhäusern, auf Marktplätzen und am Herdfeuer von Geschichtenerzählern, professionellen und Laien, verbreitet.
    In jedem Gasthaus, in dem Adelia auf ihrer Reise mit Emma abgestiegen war, hatte sich jemand erboten, die Gäste mit der einen oder anderen Arthur-Erzählung zu unterhalten, manchmal mit Ausschmückung, die selbst Geoffrey von Monmouth nicht wiedererkannt hätte. Aber damit nicht genug. Fast jeder Marktflecken und jedes Dorf auf ihrer Reise beanspruchte ein Fitzelchen der Legende für sich, rühmte sich einer Arthur-Quelle, eines Arthur-Stuhles, Arthur-Tisches, Arthur-Berges, Arthur-Hügels, Arthur-Steins, Arthur-Ansitzes, einer Arthur-Küche …
    Sein Ruhm hatte sich sogar in andere Länder ausgebreitet – Adelia erinnerte sich, dass ihre Ziehmutter in Salerno ihr von Arthurs Großtaten auf dem Vesuv erzählt hatte. Die Geschichten faszinierten vor allem Frauen. Emma war ganz vernarrt in sie. »Findest du die Stelle nicht auch hinreißend, wenn Uther Pendragon in Tintagel aus dem Dunkeln tritt und Ygraine verführt?«, hatte sie gefragt.
    »Na ja, schon, aber ist es nicht ziemlich unglaubwürdig, dass er das Aussehen ihres Mannes angenommen haben soll?«, war Adelias Antwort gewesen.
    Das hatte ihr den Vorwurf einer unromantischen Seele eingehandelt. »Du würdest vermutlich lieber irgendwas Langweiliges lesen, zum Beispiel über menschliche Innereien«, hatte Emma mit einiger Berechtigung erwidert.
    Prior Geoffrey dagegen verabscheute das Buch und vergaß seine sonstige Achtung vor den Toten, indem er den verstorbenen Geoffrey von Monmouth mit Schimpf und Schande überhäufte. »Ein Historiker soll er gewesen sein?«, sagte er gern. »Eine Rübe hätte mehr Geschichtsverständnis gehabt als dieser Mann. Er hat alles erfunden.«
    Es erzürnte den guten Prior, dass einige seiner Schäfchen, vor allem die weiblichen, sich mehr für Geoffreys
»Historia«
begeisterten als für die Bibel.
    »Jaja, die Geschichte, wie Arthur irgendeinen Riesen erschlägt, der seine Begierde an einer ohnmächtigen Maid stillte, kennen sie in- und auswendig, aber fragt sie, worum es beim Gleichnis vom Sämann geht, und sie bleiben die Antwort schuldig. Riesen, ich bitte Euch! Geoffrey von Monmouth ein großer Geschichtsschreiber? Großer Lügner trifft es besser.«
    Und doch, dachte Adelia, selbst Henry Plantagenet, der vernünftigste Mensch, den sie sich vorstellen konnte, schenkte Märchen und Visionen Glauben.
    Da musste mehr dahinterstecken.
    Während sie noch überlegte, was, wurde sie am Arm gefasst und zum Fenster geführt, sodass sie über das liebliche, aber arg verwüstete Tal des Flusses Usk blicken konnte.
    »Schön ruhig, nicht?«, sagte der König. »Aber vor zwei Tagen musste ich mich durch hundert Mann starke walisische Linien kämpfen, um den jungen Geoffrey zu entsetzen. Und wisst Ihr, wessen Namen diese Sauhunde brüllten, während wir sie niedermachten?«
    »Den König Arthurs?«
    Henry nickte. »Arthurs. Die Waliser sind angeblich Christen, aber in ihren heidnischen kleinen Herzen sehen sie in Arthur eher den Messias als in Jesus, Gott strafe sie! Für sie ist er einer von ihnen. Er ist es, der sie von dem normannischen Joch, wie sie es nennen, befreien wird. Aber ich bin kein normannisches Joch, Adelia. Erstens bin ich Angeviner, und zweitens bin ich ein verflucht guter, Frieden stiftender, Gerechtigkeit bringender König, wenn sie das bloß einsehen könnten.«
    Sie nickte. Trotz all seiner Sünden war Henry genau das.
    Er wandte sich von ihr ab, um einen Blick auf die Arbeit des Schreibers zu werfen und ihn auf einen Fehler hinzuweisen. »Llewellyn mit vier l, Robert.«
    Dann, wie aus Entrüstung über sich selbst, weil er das machte, schüttelte er die Faust Richtung Decke. »Wieso plage ich mich damit ab, ihre verfluchten Namen zu buchstabieren, hä? Ich hab Wichtigeres zu tun. Es gibt Ärger in Aquitanien, Louis von Frankreich führt sich mal wieder auf wie die letzte Nervensäge, und die verdammten Schotten müssen wieder zurück über die Grenze getrieben werden … Und wo bin ich? Stecke in irgendeinem gottverdammten Sumpf fest, um zu verhindern, dass sich noch das ganze walisische Volk gegen mich erhebt.« Er ließ die Faust auf den Tisch knallen und brachte das Tintenfass des Schreibers zum Überschwappen. »Ich hab keine Zeit, um jedes Feuerchen zu löschen, das der Glaube an einen lebendigen Arthur unter den Kelten entfacht. Und das

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