Der König Von Korsika
nun abhängig zu sein von ihrer Antwort, in jedem zweiten Satz seinen Vorschlag ab, indem er den verwünschten Orticoni und seine spanische Mission vorschob und ihr alles Gelingen wünschte, in einem Ton dabei von so abfälliger Gönnerhaftigkeit, daß seine Zuhörer, denen der Vorstoß des Kanonikus ohnehin wie ein Dolch im Herzen stak, sich genötigt sahen, dem möglichen König Theodor in seiner Suada gegen die eigenen Ansprüche immer entschiedener beizustehen.
Aber nein, Don Teodoro, es ist eben keineswegs das Wünschenswerte, daß Orticoni Erfolg hat. Glauben Sie uns das doch!
Ich wüßte niemanden, der würdiger wäre als Don Teodoro, unser Wohltäter und Beschützer, auch unser König zu sein, rief Giafferi. Das war sehr emphatisch gesprochen, aber mehr eine herausfordernde Frage als eine abschließende Feststellung. Und wer die Korsen kannte, wußte, daß sie in Fragen ohnehin keine Diskussionsangebote sahen, sondern sie entweder schweigend billigten oder sich von der Frage als solcher bereits in ihrer Würde beleidigt fühlten und stumm nach Hause gingen, um im Kreise der Ihren nachzusinnen, wie dieser Affront abzuwaschen sei.
Theodor war sich daher bewußt, daß der ausbleibende Widerspruch nicht automatisch ein Placet bedeutete. Dafür fand er sich auf Gedeih und Verderb an Giafferi und Paoli gekettet, mußte ihnen nun, ob er wollte oder nicht, vertrauen und auf sie bauen – umgekehrt, fiel ihm zu seiner Erleichterung ein, gingen sie allerdings ein ebensogroßes Risiko ein.
Vor allem war er zum Handeln gezwungen, es sei denn, die spanische Krone, das hieß die Farnese und ihr neuer Berater Patino – die Politik seines alten Freundes Ripperda war zwar erfolgreich gewesen, nicht aber er selbst, der abgesetzt und irgendwo in Afrika verschollen war -, erbarmte sich der Korsen. Wieder einmal war ihm, ohne daß er es in aller Bewußtheit darauf abgesehen hatte, eine folgenschwere Entscheidung unterlaufen.
Zunächst schickte er, seine Kompetenzen überschreitend, einen mit dem Siegel der kaiserlichen Gesandtschaft unterzeichneten Brief an den Kardinal Alberoni in Rom, in dem er den eigenmächtigen Hinweis, Wien betrachte die Reise und die Bestrebungen des Kanonikus Orticoni mit dem größten Mißfallen, in einen Strauß blumiger Komplimente einflocht.
Keine drei Monate später eilte dem auf Halbmast segelnden Emissär die Nachricht seines Scheiterns voraus. Er war noch nicht wieder in heimischen Gewässern, als
Theodor sich im Hafen von Livorno einschiffte, nunmehr offiziell beauftragt, die Mittel zur erfolgreichen Erhebung des korsischen Volkes beizubringen.
Bei meiner Rückkehr wählt ihr mich zum König, und ich werde euch von der Herrschaft Genuas befreien, sagte er, ihre Übereinkunft in einem Satz zusammenfassend, beim Abschied.
Ja, Don Teodoro, antwortete Giafferi strahlend, Sie befreien uns von der Republik, und wir machen Sie zum König von Korsika.
Zu sehr schon ins Große und Vag-Weite gewandt, zu sehr schon in Eile, seinen Visionen und Plänen hinterherzusegeln, ging Theodor auf diesen fein-kleinen Unterschied in der Reihen- und Rangfolge der Abschiedsworte nicht ein. Beim Gedanken daran, welches Gesicht seine zukünftigen Gesprächspartner ziehen würden, wenn er sich ihnen als Repräsentant korsischer Freiheitskämpfer vorstellte, erinnerte er sich an eine Geschichte, die der Graf von Mortagne einst dem Knaben erzählt hatte, von jenem Edelmann, der in Begleitung schöner Damen und spitzzüngiger Herren an einem regnerischen Tag ausgerutscht und in all seinen Samt- und Seidenkleidern und Spitzenmanschetten in den Schlamm gefallen war und der nun in der seltsamsten Form von Geistesgegenwart, die man sich denken kann, dem Spott über seine Ungeschicklichkeit und seinen verschmutzten, stinkenden Anblick zuvorkam, indem er einen Anfall mimte, sich aufrichtete, zurück in den Kot fiel, sich, das Gesicht zuunterst, darin wälzte, gurgelte und die Augen verdrehte, bis niemand mehr wagte, das schmutztriefende Bündel auszulachen, sondern sich genötigt sah, selbst in den Morast zu tauchen, um den Besessenen zu retten, der, kaum waren die Freunde ebenso besudelt wie er und damit alle Peinlichkeit aus dem Weg geräumt, rasch wieder zur Besinnung kam.
Es gibt einen Zauber des Fortgehens mit seinen das Sonnengeflecht
weitenden und krampfartig zusammenziehenden Rhythmen der Angstlust, mit dem leisen Schwanken des noch im Hafen vertäuten Schiffs, dem Molengeruch nach Tang, mit dem ohrenbetäubend
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