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Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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windgewellten Baldachinen verlor sich der Geruch nach Salz und Tang in den Düften von Minze, Koriander und Safran. Überall hatten Händler kleine leuchtende Häufchen von Gewürzen auf die Erde geschüttet, in denen silberne Schäufelchen zum Abwiegen steckten. Von einem unsichtbaren Minarett ertönte der weithin hallende gutturale Ruf des Muezzin, ein zunächst erschreckendes, dann verstörendes, schließlich wie der Gesang eines märchenhaften Riesenvogels klingendes Geräusch, und an die heimischen Kirchenglocken denkend, verstand Theodor, daß er zum ersten Mal in seinem Leben aus der christlichen Welt hinausgetreten war.
    Der Bey, dessen Mund mit den bläulichen Lippen von einem schwarzen, unter dem Kinn spitz zulaufenden Bart umrahmt wurde, musterte ihn aus wach-müden Herrscheraugen, als Theodor, gefolgt von seinen Sekretären und kistenschleppenden Dienern, eingerahmt von der Janitschareneskorte, den hohen, mosaikgefliesten Saal betrat. Durch die fein ziselierten Gitter fiel das Sonnenlicht in Goldtropfen auf den Boden, draußen im Patio plätscherte ein Springbrunnen.
    Obwohl er Kopf und Rumpf nicht bewegte, sondern nur die Augen, die zwischen zwei an einem über den Schultern getragenen Gestell befestigten Rückspiegeln hin und hergingen, so daß er in alle Richtungen zugleich sehen konnte, um gegen eventuelle Attentate auf seine Herrschaft gewappnet
zu sein, machte der Bey auf Theodor nicht den Eindruck von Schwerfälligkeit. Die lebenslange Betätigung der Augenmuskeln hatte ihn ausgehöhlt wie schwere körperliche Arbeit, aber zugleich auch straff und geschmeidig erhalten.
    Husain Ibn-Ali verneigte sich leicht, ohne den Blick zu senken, Theodor verneigte sich tiefer und ließ sich nicht die geringste Überraschung darüber anmerken – tatsächlich war er nicht sonderlich überrascht -, im Hintergrund auf dicken Teppichen und Puffs Mr. Sweeney und Mr. Upworth in Begleitung eines dritten Mannes sitzen zu sehen, bei dem es sich nur um den englischen Konsul handeln konnte.
    Mr. Upworth roch nach Bier, wie sich später im Hammam herausstellte, es gab also tatsächlich, einen englischen Pub in Tunis, »The Arms of Monastir«. Eine kurze Geste Mr. Hamiltons, des Konsuls, versicherte Theodor maurerischer Unterstützung gegenüber dem Mauren.
    Danach war alles eine Sache byzantinischer Höflichkeitsbezeugungen und lustvoller Verhandlungsrunden im kühlen Schatten des Patio, später im dampfenden Hammam, noch später rund um eine Folge von tajines , die in kreiselförmigen, rostroten Tontöpfen serviert wurden und von Pfefferminzsorbets unterbrochen, um im Magen Platz für die nächsten Gänge zu schaffen.
    Husains Ouvertüre lautete folgendermaßen: Eile haben Sie, Baron? Eilig sind Sie über unser Meer gefahren und haben uns erschreckt und geängstigt, daß Krieg gegen uns geführt werde, und jetzt haben Sie Eile weiterzukommen? Allah hat die Welt langsam geschaffen, Baron. Sie ist noch immer im Werden. Was ist Zeit? Was ist ein Jahr in der Geschichte unserer Welt? Was ist ein Menschenleben? Ein Sandkorn in der Wüste. Was ist Ihr Korsika mit seinen Sorgen? Nicht mehr als ein Wimpernschlag des Ewigen...
    Das ging so einen halben Tag, und der Bey dachte gar nicht daran, auf die eigentlichen Fragen zu kommen, ob er etwa Schadenersatz oder Zoll verlange, ob er die Ladung von
Theodors Schiff requirieren oder kaufen, ob er lieber etwas verkaufen wolle oder den Baron selbst womöglich als Geisel festzuhalten und Lösegeld für ihn zu erpressen gedachte.
    Aber die Art des Gesprächs nahm Theodor, der es ohnehin nicht eilig hatte, sein derzeitiges erwartungsgeheiligt-bequemes Leben zu rasch zu beenden, sofort für den sorgenvollen, nervös-hageren Mann ein. Ellipsen um den ganzen Erdkreis ziehen konnte er auch und begann also am entgegengesetzten Punkt: Ehrwürdiger Herr, unser Gott hat die Welt in sechs Tagen erschaffen und sich dabei keine Ruhe gegönnt. Unsere englischen Freunde hier haben ein Sprichwort, das heißt: Time is money . Im fernen London wird tagtäglich die halbe Stadt, so groß wie Ihr Reich, abgerissen und wieder neu aufgebaut. Und wozu? Für nichts. Um in Bewegung zu bleiben. Wir Europäer haben einen schnelleren Herzschlag, wir leben nicht lang. Um etwas reifen zu sehen, müssen wir es immer schon vorgestern gesät haben. Sie, weiser Bey, und wir Kinder der Unrast, wir sind so weit voneinander entfernt, daß ich um die Hilfe Ihres geduldigen Gottes flehen muß, damit die Eile und die Weile zum

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