Der König Von Korsika
doch wieder mürrisch ausgespien wurde.
Die Liebe mit dem kleinen, stämmigen Mädchen, der Anblick ihres ausladenden, an eine römische Bogenbrücke erinnernden Beckens, ihr dickes schwarzes Haar und der dunkel schimmernde Flaum auf ihrer Oberlippe und auf dem Rücken, dort wo die beiden weißen Vollmonde der Hinterbacken aufgingen – all das ermüdete und langweilte ihn auch nach mehreren Wochen noch nicht, vielleicht weil er nichts von dem Menschen Angelina zu wissen begehrte,
der ihn seinerseits weder mit Fragen, noch mit Lebensgeschichte oder anderen Versuchen behelligte, Konversation zu machen.
Er saß auf dem Bischofsbett in Monsignor De Maris requiriertem und zur Residenz umfunktionierten Palast, ließ den Blick über die Landschaft von Angelinas nacktem Körper flanieren und konzentrierte sich dabei, mit der Muße des Spaziergängers, der ein angenehmes, wohlbekanntes Stadtviertel durchquert, auf anderes, nämlich auf die ideale Form, die er seiner Existenz geben wollte.
Es war, Theodor konnte es nicht verhehlen, Angelinas Schoß, von dem seine Überlegungen ausgingen. Natürlich war die Korsin niemand, der ihm Jane ersetzt hätte. Wenn er nun aber, da er seine Schuld durch seine Königswürde zwar nicht getilgt, aber doch gerechtfertigt wußte, an die Intelligenz und Großmut seiner Frau appellierte und sie bat, hierherzukommen und als seine Königin mit ihm zu leben? Selbstverständlich unter Würdigung ihrer Intimität, indem sie sozusagen als seine königliche Schwester neben ihm existierte? Es mußte doch einzurichten sein, mit Angelina in angemessener Diskretion seine niederen Triebe auszuleben und zugleich zum Reden und Denken, Repräsentieren und Regieren, Musik hören und Reisen die Königin seines Geistes an seiner Seite zu haben. Und dazu noch einen Sohn, auch wenn dieses dritte Glied seiner Idealfamilie nicht auf dem klassischen Wege zu ihm käme, sondern vielmehr aus sehr traurigen Gründen, über die nachzusinnen Theodor sich strengstens untersagte.
Er hatte einen Brief erhalten, ein in formschöner Schrift mit der Feder verfaßtes, ihn dreifach als hochgeehrten Herrn, Majestät und geliebten Onkel und Vater ansprechendes Schreiben, in dem der Vicomte de Trévoux, sein Neffe Friedrich, ihm den Tod seiner Mutter Amélie mitteilte, sowie seinen Wunsch, seine Zukunft mit und bei ihm, seinem Onkel, verbringen zu dürfen.
Hätte Theodor auch nur eine ruhige Minute gehabt, sich dieser Neuigkeit zu öffnen, er wäre zusammengebrochen und schwermütig oder blöde geworden. Das einzige, was er an sich heranließ, war die Ankündigung von Friedrichs baldigem Kommen. Wie alt war der Knabe eigentlich? Sechzehn, siebzehn, achtzehn? So alt wie er selbst, als er seine gesicherte, langweilige Zukunft als Leutnant im Régiment d’Alsace drangegeben hatte.
Jane, Friedrich und Angelina, stellte Theodor sich vor, der König, seine Ober- und Unterfrau und sein Sohn, aus verschiedenen Zeiten und Leben herangezogen, die ihr Land glücklich regierten.
Das waren die Bilder in seinem Kopf, während seine Lippen an geeigneten Verstecken in Angelinas Leib deponierte, süße getrocknete Feigen und Loukoums ergriffen und gegen einen leichten Körperwiderstand in den Mund zogen. Wie schmecken sie, Majestät? fragte das Mädchen neugierig, und Theodor antwortete: Wie Backpflaumen im Speckmantel, mein Kind.
Ja, dieses Haben-Wollen und Haben-Müssen hygienischköniglicher Orgasmen war eine Verarmung der Phantasie und eine Verdummung, aber zugleich auch das Zeichen, daß die Erhebung und Erhöhung Theodor verwandelt hatte.
Und nicht nur seine Liebespraxis, die rasch, männlich, zielstrebig geworden war; der König in ihm, oder besser: um ihn, den Angelinas faszinierte Hingabe ihm bewußt gemacht hatte, eignete sich auch die übrigen Provinzen seiner Seele an.
Staunend nahm Theodor wahr, daß seine Fähigkeiten ihm zwar erlaubt haben mochten, die Königswürde zu gewinnen, daß es aber in noch viel größerem Maße die Königswürde war, die ihn befähigte, wie ein König zu denken und zu handeln. Er hatte erst König von Korsika werden, erst daran glauben müssen, es tatsächlich zu sein, um
königliche Kraft und Tatendrang in sich wachsen zu spüren.
Es klopfte dringlich an der Tür, und Theodor erinnerte sich, daß es der Morgen des siebenundzwanzigsten April war und sein Gardeoffizier ihn zu einer von ihm selbst angeordneten Exekution rief.
Er ließ sich gerade ankleiden, als Giafferi und Orticoni ihre
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