Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
Vom Netzwerk:
Anwesenheit im Vorzimmer ausrichten ließen, was bedeutete, daß Angelina entfernt werden mußte, denn sie war den beiden korsischen Patriziern ein Dorn im Auge. Auch die Exekution war ihnen ungemütlich, alle hatten sie betreten geschwiegen oder gedruckst, Einspruch erhoben hatte jedoch keiner.
    Was den zum Tode Verurteilten zur Last gelegt wurde, war nichts weiter als eine Familienvendetta, wie sie zu beiden Seiten der Berge tagtäglich vorkam. Mit bösartiger Freude las Theodor in den Blicken seiner Diätsräte den Widerstreit zwischen seinen höheren Argumenten – die Blutrache, die das Land entvölkerte als das ursprüngliche Problem der korsischen Uneinigkeit – und ihrem unheimlichen Gefühl, daß es, stünden die Dinge so oder so, jeden von ihnen hätte treffen können.
    Theodor hatte es sich nicht nehmen lassen, diese erste wirkliche Amtshandlung als einen Schlag mitten ins Wespennest ihres schlechten Gewissens und ihrer Widersprüche zu führen, es war auch eine Art Revanche für die Behandlung, die sie ihrem König während der consulta hatten angedeihen lassen.
    Natürlich, Don Teodoro, werden die Dörfer der Verurteilten sich auf die Seite Genuas schlagen, gab Paoli zu bedenken.
    Und wenn schon, antwortete Theodor, es könne schwerlich einen Unterschied machen, ob die Bewohner windschiefer Ziegenställe im Gebirge von der einen oder der anderen Seite Tribut verlangten, um durchziehenden Truppen den richtigen Weg durch die Macchia zu weisen.

    Das Gesetz, das Theodor erlassen hatte, die Todesstrafe für Clanmorde, deren erstes Exempel hier statuiert wurde, bewies ihnen, daß er es ernst meinte, und dieser Morgen und der Gang durch das Spalier Schaulustiger, immer leiser, je näher er den Galgen kam, deren Querbalken an die tiefhängenden Wolken zu stoßen schienen, machte Theodor die Realität seiner Macht und die tatsächlichen Konsequenzen seiner Gedanken bewußt.
    Er sah, wie die beiden stoppelbärtigen Männer mit den zerrissenen schmutzigweißen Hemden, die Hände auf den Rücken gefesselt, die Füße eng aneinandergebunden, auf den Galgen zugestoßen wurden und widerstrebend vorwärtsstolperten. Er roch, daß der eine, der vor dem Podest auf die Knie sank, die Kontrolle über sich verlor und atmete zugleich die frische Waldfeuchtigkeit ein. Er hörte, wie das Urteil verlesen wurde, hörte den Trommelwirbel, sah das Weiße in den Augen heimlich auf ihn gerichteter Blicke, hörte das Klagegeschrei einer Frau.
    Die auf das Getrommel folgende Stille hallte nach, der zweite Mann war von stoischer Ruhe, die beiden wurden aufs Podest geführt, die Schlingen schlossen sich um die Hälse, die Hosen des Nervenschwachen schlotterten, so sehr zitterten seine Beine, dann bewegte der Henker seinen Hebel, die Falltüre klappte knallend nach unten, der Aufschrei aus der Menge übertönte nicht das scharfe Knacken eines morschen Astes, mit dem das Genick des Ängstlichen brach. Er verdrehte die Augen, er war sofort erlöst. Der andere zappelte und krächzte und wand sich um die eigene Achse und kämpfte gegen das Sterben. Sein Gesicht lief rot an, die Halsmuskeln schwollen, die Augen traten aus den Höhlen, die gefesselten Beine wuchteten sich haltsuchend durch die Luft. Theodor sah hin und wartete auf den Tod des Mannes. Die Patrizier hinter ihm blickten zu Boden, die Soldaten vor ihm stießen die Knäufe ihrer Speere in die murrende Menge aus dem Dorf der Verurteilten. Theodor
versuchte sich der geraden Linie bewußt zu werden, die von seinen Überlegungen, wie die Selbstverstümmelung des korsischen Volks zu unterbinden sei, über das Gesetz zu diesem tapferen Sterbenden hier führte.
    Es war eines, in Wut oder im Affekt, wie es ihm vor Jahren in einer träumerischen Nacht in Venedig geschehen war, einen Menschen zu töten, es war etwas ganz anderes, an der Spitze einer Befehlskette zu stehen, an deren Ende ein Mann exekutiert wurde. Nicht, daß er irgend etwas bereut hätte.
    Jetzt wurde der Gehängte schwächer und sperrte den Mund auf wie ein junger Vogel im Nest, der auf Futter wartet. Theodor ertappte sich dabei, auf irgendeine unvorhergesehene Unterbrechung des Schauspiels zu warten, aber dann schien der Mann etwas Großes, Schwarzes hervorzuwürgen, und Theodor kniff die Augen zusammen, um schärfer zu sehen. Es war seine Zunge, die der Tod ihnen allen in einer obszönen Grimasse herausstreckte. Dann zuckte der Rumpf, die Glieder baumelten und hingen schlaff.
    Die Leichen wurden eingeholt, auf einen

Weitere Kostenlose Bücher