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Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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Reüssieren ekelt mich an, erklang das dozierende Parlando des Grafen, und Theodor verstand den Satz so, daß es unwürdig sei, einen Menschen – und insbesondere sich selbst – an Resultaten zu messen. Das war etwas für Kaufleute. Eines Edelmannes Wert hing an seinem Sein, welches sich in seiner Sprache verkörperte, durch die es ins rechte Licht zu rücken war.

Drittes Kapitel
    Seine in den Gesprächen mit dem Grafen von Mortagne erworbenen Erkenntnisse wandte Theodor zunächst in den naturwissenschaftlichen Stunden Meister De Broglies an. Als der trotz des mütterlichen Verbots wieder einmal seine Enterhaken auf die porösen Mauern von Theodors analytischem Verstand warf und von den Verlängerungen der einer Ellipse einbeschriebenen Sechseckseiten begann, die sich in den auf einer Geraden liegenden Punkten A, B und C schneiden, blickte Theodor ihn brennend interessiert an und sagte: War Pascal nicht, als er diesen Satz entwickelte, Mitglied der Académie Mersenne, der Vorgängerin der Wissenschaftsakademie, zu der auch Sie, Meister, gehörten?
    In der Tat, antwortete De Broglie überrascht und mit einem freudigen, noch halb zögernden Lächeln.
    Ich frage mich, fuhr Theodor fort, was ihn dann nach Port-Royal getrieben und von der Mathematik auf die Gottesgelehrsamkeit geworfen hat. Es besteht doch, nach dem wenigen, was ich beurteilen kann, ein erheblicher Unterschied zwischen der Logik dieser Kegelschnitte hier und der logique du coeur ... Haben wir es nicht doch mit einem, nun ja, einem Nachlassen zu tun?
    Hochinteressante Frage, lieber Baron, und ich möchte Ihnen aufs lebhafteste widersprechen. Zunächst einmal müssen Sie sich in das geistige – und geistliche – Klima der Zeit hineindenken, das an der Akademie herrschte...
    Das war, bemerkte Theodor, schon ein anderer Ton als zuvor, und die Stunde verging in einem vergnüglichen und
lehrreichen Gespräch, gespickt mit Anekdoten aus der akademischen Laufbahn De Broglies, Ausfällen gegen die Kasuistik Escobar de Mendozas, Spekulationen über den Herzbegriff des Augustinus und Proben des existentiellen Optimismus. Theodor genoß es und konnte interessierte und interessant scheinende Fragen und Einsprengsel beisteuern, die De Broglie beständig das Gefühl vermittelten, es handle sich hier um einen Dialog.
    Nach dem Ende ihres Kollegs war er zufrieden mit Theodor wie selten. Das macht zwei, dachte dieser stirnrunzelnd und fragte sich dann doch erstaunt und etwas ungläubig, inwieweit der andere das Spiel nur aus Gefälligkeit mitgespielt und dabei in keiner Sekunde Theodors Beschränktheit aus dem Auge verloren hatte oder ob es tatsächlich so einfach sein sollte, die Menschen von allem abzulenken, was einem unlieb war.
    Gierten auch hartgesottene Logiker wie sein Lehrer im Grunde ihrer Seele nach nichts anderem als danach, eine Bestätigung ihrer Existenz und Identität zu erfahren, die ihnen lebensnotwendiger war als alle Theorie und Praxis des Denkens und Handelns?
    Wenn er jedoch glaubte, dank erster rhetorischer Kniffe die Probleme gelöst zu haben, vor die ihn De Broglie stellte, so sah er sich bald getäuscht: Eines Tags schickte der Lehrer die sonst während der Unterrichtsstunden geduldete Amélie fort, nämlich als er Theodor, dessen Bildung zu einer von der Bibel und den Vorsokratikern bis hinauf zu den neuesten naturwissenschaftlichen Erkenntnissen reichenden Pyramide aufgeschichtet werden sollte, von der jüngst durch Leeuwenhoek mithilfe seines zweihundertsiebzigfach vergrößernden Mikroskops gemachten Entdeckung der Spermatozoen in Kenntnis setzen wollte.
    Comment , Baron? Der Präzeptor riß die Augen auf. Sie haben noch nie... noch nie? Und sei es nur über die Bedeutung dieses Sekrets in ihrer offenen Hand nachgedacht?

    Theodors vollkommen schafhafter Gesichtsausdruck ließ ihn innehalten.
    M’enfin ... Sie wissen doch... Er deutete auf die Pluderhose unter Theodors Gürtel. Sie wissen doch wohl, was damit anzufangen ist?!
    Der junge Mann, oder in diesem Moment der rot angelaufene Knabe, wußte nur eines: Wenn er sich, allein im Bett liegend und von der Vergangenheit oder Zukunft träumend, die Nachmittagsbilder der Gartenspiele mit Amélie herbeizitierend, in unzähligen ineinanderfließenden Begegnungen mit Gestalten der Sage und Geschichte, reisend, kämpfend, lorbeerbekränzt, auf dem Bauch räkelte, sich drehte und wendete, sich streckte und zusammenrollte, vergrößerte und versteifte sich sein Glied, um das es De Broglie

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