Der König Von Korsika
Schutzgriff darauf steckte, verlor er im Silberschimmern und dem drohend wetzenden Schabgeräusch das Bewußtsein.
Junge Hoheit hat sensible Konstitution, kommentierte der Mohel mitfühlend. Amalia nickte gespannt. Gewiß. Nun walten Sie Ihres Amtes.
Möchte Hoheit nicht vielleicht lieber...? Ist womöglich nicht gut für zarte Nerven.
Nie im Leben, rief die Baronin, werde ich meinen Sohn in einem solchen Moment alleine lassen!
Baruch-ha ba , entgegnete der Mohel, und es klang wie: Ich wasche meine Hände in Unschuld. Es folgte der Schnitt, das Blut spritzte, Amalia schrie auf: Er verblutet mir! Er verblutet mir!
Theodor erwachte, sah das Blut und wußte, er war verstümmelt.
Der Schwarzgelockte beruhigte seine Mutter. Der Blutverlust, durch mehrere schnell sich tränkende Binden aufgefangen, sei bei einem Vierzehnjährigen, der, nun ja, an der entsprechenden Stelle bereits voll durchblutet sei, normal.
Jedesmal wenn die verkrusteten Verbände gewechselt wurden, riß die Wunde wieder auf und blutete erneut, es dauerte Tage, bis die Heilung einsetzte.
Theodor beschloß, als alles verwachsen war, nach einem Blick auf die häßlichen, wie verbrannt aussehenden roten Hautwülste um die blaßrosa Eichel, die er mit einem gewissen sentimentalen Mitleid entdeckte und die ihn an ein aus dem Nest gefallenes, totes Vögelchen erinnerte, diese Zone seines Körpers in der altbekannten Manier zu ignorieren und zu vergessen. Außer zum Wasserlassen war das Ding nicht nötig, und so wie ein alter Feldherr sich damit abfinden mag, nach wiederholten Niederlagen ein Stück des von ihm eroberten und besetzten Territoriums auf immer und ewig abzuschreiben, verzichtete Theodor auf die bewußte Wahrnehmung und Nutzung dieses Fortsatzes, diesem Gefäß zu peinlicher Erinnerungen.
Es dauerte Monate, bis er in einer schlaflosen Nacht, dem gleichmäßigen Atmen seiner Schwester lauschend, das durch die offenen Fenster vom Nebenzimmer herüberklang, vor Einsamkeit verging und sich an irgend etwas festhalten mußte, um nicht von der Strömung seiner Sehnsüchte fortgeschwemmt zu werden. Das einzig Feste, was seine Hände fanden, war sein Glied.
Den verwachsenen, roten Hautwulst zu kneten, den er nicht ansehen wollte, war nicht gerade unangenehm, aber was zuvor an zärtlichen Sensationen seinen ganzen Körper durchflossen hatte, lief jetzt in dieser Spitze zusammen; eine Konzentration der Intensität und eine Verarmung zugleich. Er fiel, da es ganz deutlich wurde, daß seine Körpersäfte zu dieser einen Stelle hinstrebten wie ein Fluß im immer engeren und steileren Bett einem Wasserfall entgegen, in eine melkende Bewegung, die den eigentümlichen Juckreiz halb linderte, halb steigerte. Irgend etwas, soviel war deutlich, würde gleich geschehen, in irgendeinem Schlußakkord und Paukenschlag mußte dieses Crescendo doch kulminieren. Während er noch darüber nachsann, was es wohl sein und wie es sich in Überraschung und Schrecken bemerkbar machen werde, während sein Hirn in rascher Folge Bilder vorschlug und wieder verwarf, die zur Illustration und Übersetzung der Sinnenrevolte hätten dienen können, um schließlich bei körperlichen Details Amélies zu verharren – ihren abgearbeiteten, kräftigen Händen, den Adern und Sehnen in ihren Unterarmen -, begann plötzlich auf halber Höhe seines Rückenmarks eine Bewegung, der sein ganzer übriger Körper angespannt lauschte, eine Art Quecksilbersäule sank in einem engen Kanal zielstrebig den Rücken hinab und stieg dann vom Gesäß an schräg aufwärts durch seinen Unterleib, zwischen den Hoden hindurch hinauf und ans Licht.
Ein kurzer Krampf, eine über ihn hinwischende Bewußtseinstrübung, die behagliche Erschlaffung nach der zerplatzten Spannung und sofort danach die schale, schmutzige Ernüchterung, mit feuchten, klebrigen Fingern aus der Trance zu erwachen. Theodor schüttelte sich, um wieder zu Sinnen zu kommen, und zwei Worte formten sich in seinem Bewußtsein: Leeuwenhoek und Erbsünde.
Dazu also hatte seine Verstümmelung gedient: das heilige Gefäß zu entkorken, damit er in diesem es sich mit der
Erleichterung ein wenig zu leicht machenden Vergießen allen anderen gleichwerde. Die Sünde hat einen horror vacui , sie erträgt es nicht, daß man sich ihr verweigere im Stande der Unschuld. Dafür belohnt sie mit körperlichem Genuß, um die nachfolgende Scham vergessen zu machen. Hatte der holländische Forscher seine Spermatozoen, dieses Agens der Sündigkeit, nicht
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