Der König Von Korsika
blasenschlagenden Suppe im Kupferkessel, den Glaskolben und Phiolen, Reagenzgläsern und Retorten, den vielfarbig durch Röhren fließenden und blubbernden Flüssigkeiten, wirkte und roch und klang dank herrlicher Worte wie conjunctio , maza , nigredo oder citrinitas so überaus faszinierend, daß es kaum mehr nötig schien, ein greifbares Ergebnis so schöner Anstrengungen erwarten zu wollen.
Und, was kommt dabei heraus? fragte Theodor den Marchese dennoch ungezogen, aber in der vagen Hoffnung, nicht durch eine präzise Antwort enttäuscht zu werden.
Nichts, mein Junge, entgegnete der Astrologe leichthin und vielleicht doch ein wenig unvorsichtig. Der Weg ist das Ziel, und da schaute Theodor ihn so erfreut an, daß der Marchese die Pfälzerin bat, ihn zu seinem Gehilfen machen zu dürfen.
So schritt Theodors Eroberung der hiesigen Welt weiter voran, wobei er mitunter ins Stolpern geriet. Wochenlang hielt er aufgrund einer falschen logischen Verknüpfung einen der Marschälle des Reichs, der sich öfter mit dem Herzog Philippe bei der Pfälzerin traf, für einen hartnäckigen Schnorrer aus der Provinz, einen dieser Landedelleute, die um Geld einkamen, mit dem sie irgendwelche utopischen Projekte zur Sumpftrockenlegung oder Landgewinnung
finanzieren wollten, und grüßte ihn mit hochgezogenen Brauen und abschätzig zuckenden Mundwinkeln.
Mit der Zeit aber lernte er, Gesichter zu unterscheiden und die Bewohner und Besucher des Palastes in Gruppen zu scheiden.
Diejenige Kategorie, die Theodor am faszinierendsten und undurchsichtigsten fand, waren die von ihm so genannten »gefährdeten Trabanten«: Frauen und Männer, die keinen in Zahlen faßbaren Nutzen besaßen, auch kein Amt ihr eigen nannten und die lediglich kraft des Wortes, durch die Gefälligkeit ihrer Person sich ein lichtes, aber in jeder Sekunde vom Absturz bedrohtes Nest gebaut hatten. Ihre Beharrlichkeit, ihr bohrender Wille, sich einen Platz an der Sonne zu erkämpfen, die Disziplin, die sie an den Tag legten, um à la mode , geistvoll, kreativ, witzig, spitz, unterhaltsam zu sein, die ungeheuren Nebelmaschinen, die sie mit allen Kräften bewegten, um ihre vollkommene Überflüssigkeit für den Gang der Dinge zu kaschieren, waren bewundernswert und erschreckend zugleich. Mit dem ihm selbst noch nicht bewußten fachmännischen Blick, den Menschen gleicher Berufung und ähnlicher Artung füreinander haben, machte Theodor sich zum mitfühlenden, mitleidenden Zuschauer ihrer heroischen Anstrengungen, heroisch, weil nichts davon, auf die Gefahr hin völligen Aus-der-Mode-Kommens und damit sofortigen Verschwindens von der ersten Bühne der Welt, nach außen dringen durfte.
Es waren Gesellschafter der noblen Herrschaften, Liebesbotschafter, bestallte Intriganten und inoffizielle Herolde, Künstler, Halb- und Viertelskünstler, Lebenskünstler, Hofnarren. Einen von ihnen lernte Theodor näher kennen, als die Pfälzerin ihn bat, Monsieur de Mortemart dienstbare Gesellschaft zu leisten.
Der braungelockte, schlanke junge Mann mit den hektisch geröteten Wangen riß Theodor um halb sechs Uhr morgens aus dem Schlaf.
Was ich von Ihnen erwarte und worum ich Sie bitte, erklärte er, ist, was die Engländer coachen nennen.
Theodor erfuhr rasch, was damit gemeint war. Nach einem zweistündigen scharfen Ritt in den Sonnenaufgang mußte er den Erhitzten mit vor Anstrengung zitternden Muskeln mit Güssen kalten Wassers überschütten, wie man kein Pferd traktiert hätte.
So, nun bin ich wach, kommentierte Mortemart, auf ins Studierzimmer!
Theodor sah zu, wie der Eifrige seine mitgebrachten Bücher an vorgemerkten Stellen aufschlug und rezitierte. Es waren Sammlungen von Gedichten, Sinnsprüchen, Aphorismen und Aperçus, von den griechischen Klassikern über die persische und indische Dichtung bis zu gegenwärtigen französischen oder englischen Produktionen. Daneben besaß Mortemart ein Quartheft, in das er selbst geistvolle Wendungen eingetragen hatte, die Theodor ihn abfragen mußte. Der Proband bekam feuchtglänzende Schläfen, aber er vertat sich nicht ein einziges Mal.
So, und jetzt, und bei diesen Worten nahm er mit gespitzten Fingern seine Schläfen in eine Art Klammer, um sich zu konzentrieren, jetzt reden Sie. Sie sprechen über irgend etwas, das Ihnen gerade in den Sinn kommt, und dann fragen Sie mich nach meiner Meinung oder fordern eine Stellungnahme. Auf, vorwärts!
Theodor extemporierte, und Mortemart zündete ein regelmäßiges, in bunten
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