Der König Von Korsika
besuchte nur die billigsten Bordelle, hatte eine genügsame Verlobte, die sich mit Briefpapier abspeisen ließ, und arbeitete zu allem Überfluß auch noch. Seine einzigen Passionen, lernen und denken, waren kostenlos.
Theodor dagegen beschenkte die Valentini, mietete Kutschen und Separées, mußte sich um seine Garderobe sorgen, seinen Diener Larbi aushalten, ein Pferd und einen Stall bezahlen und sich über die Maßen großzügig zeigen, wenn er Gertrud den Hof machte. Das konnte so seltsame Ausgaben wie die für einen Dichter zeitigen; Larbi, der die Kasse seines Herrn verwaltete, sagte mißbilligend: Monsieur, nun hören Sie sich das an! Für derartige Verse will der Mann einen Louis haben:
O Laura Herbstzeitlose,
wenn ich dein Bild liebkose,
neiden selbst die Götter der Antike
mir die Schönheit meiner Nike.
Nike! Das ist doch völliger Unfug! Da sind ja Ihre eigenen Gedichte, mit Verlaub gesagt, noch besser.
Gewiß, aber ich habe nicht immer Zeit und Muße zum Dichten. Im übrigen liest sie sie ohnehin nicht, wenn sie des Lesens überhaupt mächtig ist, was ich bezweifeln möchte.
Es geht darum, ihr etwas zu schenken, was kein anderer ihr schenkt und was sie erhöht.
Aber dieser Mist erhöht nun wirklich niemanden, diese »Lyrik« beleidigt jeden intelligenten Menschen, meinte Larbi, der in seiner Heimat eine gewisse Bildung genossen hatte.
Es ist die Poesie an sich, erklärte Theodor, die Tatsache, daß ich ihr Gedichte schenke statt Lyoner Würste.
Mir wären Lyoner Würste lieber, nörgelte der Diener und trug den Louis in die immer länger anwachsende Liste der Schulden seines Herrn ein.
Theodor gab Mortagnes monatliche Zuwendungen doppelt und dreifach aus, pumpte sich auf seinen Namen zusätzliches Geld, ließ beim Schneider, Hutmacher und Patissier anschreiben und versuchte in Spielclubs und beim Wetten sein Glück. In dieser Stadt war Geld alles, so wie die Sprache mit ihren Geheimcodes in Versailles herrschte, es war vielleicht das einzig Ernsthafte, was es gab, und der tiefe Unernst, mit dem Theodor es behandelte, führte ihn zu weitschweifigen Meditationen über sein Verhältnis dem Leben gegenüber an und für sich.
Das Glücksspiel war per Saldo eine interessante Einkommensquelle, aber nur deshalb, weil er keine Angst hatte, zu bluffen und hoch zu setzen, obwohl oder weil er kaum je Deckung besaß. Er ging so weit, ohne Skrupel Larbi zu setzen, und stellte überrascht fest, daß diese momentane Notwendigkeit und die ehrliche Zuneigung für seinen Diener ungestört nebeneinander bestanden. Befremdet betrachtete er seine schwitzenden, rotköpfigen Gegner, die ihre Nägel abkauten, als sei ihr Leben in Gefahr. Genau dieses Gefühl ging Theodor vollkommen ab. Denn er fürchtete tatsächlich um sein Leben : Die Aussicht, demnächst als Soldat im Régiment d’Alsace niedergemetzelt zu werden oder eines Abends unter die Messerstecher des Boulevard du Crime zu fallen, denen es im Gegensatz zu den Menschen,
mit denen er spielte, nichts ausmachte, einem Adligen den Bauch aufzuschlitzen, um ihn, während er röchelnd verreckte, als einen der ihren zu erkennen, einen Sterblichen, die machte ihm angst. Nicht aber die Möglichkeit, Geld zu verlieren.
Ist das nun, fragte er sich, das Zeichen einer unverbrüchlichen Zuversicht oder vielmehr stoischer Hoffnungslosigkeit?
Er spielte häufig in einem Kreis von Gesandten und Diplomaten, die er aus Versailles kannte, und der einzige von ihnen, gegen den Theodor regelmäßig verlor und den er dafür bewunderte, war der englische Botschafter, Mr. Montague, ein free thinker , den er in Gedanken häufig mit Sternhart verglich, denn beide waren Männer von hoher Bildung und materialistischer Weltauffassung und hätten doch unterschiedlicher nicht sein können.
Wenn Montague beim Port oder Sherry über die Schlacht am Boyne River erzählte, an der er als junger Soldat teilgenommen hatte, über die Declaration of Rights oder die Eroberung Gibraltars, wenn er über die Two Treatises of Government sprach und die Handelsfreiheit in seiner Heimat mit der erstickenden Kontrolle aller wirtschaflichen Aktivitäten hierzulande durch den Surintendant des finances und sein Heer von Steuereintreibern verglich, sah Theodor die Weberschiffchen zwischen Geist und Tat hin- und herflitzen.
Jakob dagegen war die Politik ein Graus, er fand es unter seiner Würde, sich mit dergleichen abzugeben. Sein preußischer König war, wie die allerchristlichste Majestät hier in seinem
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