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Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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Arbeitsteilung, in der er
wie ein Politiker funktionierte, der nie all seinen Mitarbeitern alles von seinen Plänen und Gedanken mitteilt, sondern jeden mit nur für ihn bestimmten Bruchstücken abspeist.
    Das Objekt seiner Liebe hieß Gertrud Holzacher und war die siebzehnjährige Tochter eines aus Franken eingewanderten Ebenisten, der im Faubourg nicht weit von Theodors Zimmer eine florierende Möbeltischlerei mit zehn Gesellen und Lehrlingen betrieb.
    Gertrud, von dem Verliebten in Gedanken nur Laura genannt, war ein frischgewaschen aussehendes, braungelocktes Mädchen mit gebogenen Brauen, die der beträchtliche Stolz auf den väterlichen Betrieb beständig in die Nähe des eher tief gelegenen Haaransatzes hob, und einem etwas fliehenden Kinn. Es muß einen körperlichen Charme selbstgewisser und behaglicher Mediokrität geben, denn genau darin verliebte Theodor sich, da sie bei Gertrud noch vom Flaum der Unschuld bedeckt war.
    Dennoch darf man sich fragen, wie der Erweckte, der die Gunst der wohlhabenden und willigen Baroness Valentini besaß, die bei hellem Tageslicht und nicht minder hellem Bewußtsein all den Genuß geben und empfangen wollte, dessen sie sich fähig wußte, auch nur eine Minute mit ihr versäumen konnte, um sich vor der Tischlerei herumzudrücken und seinen Diener Larbi mit Blumen, Konfekt und Gedichten zur Haustochter zu schicken, die ihre Unschuld ebenso peinlich genau verwaltete wie ihre Mutter die Betriebskasse.
    Theodor wußte um diesen Aberwitz, wußte in einem Fach seines Gehirns, das er nur momentan versiegelt hielt, ebenfalls, daß Gertrud-Laura sich nicht nur in keiner Weise mit der zentaurischen Valentini messen, sondern auch, daß sie nicht bis drei zählen konnte, den mittellosen Adligen mit seinen Manieren wahrscheinlich verachtete und, ganz die Tochter ihres Vaters, einen stämmigen Handwerksmeister
vorgezogen hätte – und daß seine parfümierten billetsdoux mit ihren Appellen an das Göttliche in ihr bei dem Mädchen auf völlig unfruchtbaren Boden fielen.
    All das wußte Theodor, und es störte ihn nicht, denn was brauchte er Gertrud, wenn er Laura hatte, und vor allem: da er die Valentini hatte. Ohne die regelmäßige Beziehung zur Baroness hätte es – auch dies war Theodor bewußt – keine Liebe zur Tischlerstochter gegeben. Es machte ihm daher überhaupt nichts aus, daß die Angebetete ihn mit einiger Sicherheit nicht erhören würde, im Gegenteil! Je ferner und unschärfer sie blieb, desto leichter konnten ihr fröhliches Lachen und ihre Unschuldsaura in der Messe, wo er von hinten unter den aufgesteckten braunen Locken ihren Schwanenhals sah, in Sehnsucht und Poesie verwandelt werden.
    Den Abstand, den die Valentini ständig bereitwillig überbrückte, schuf Theodor sich in seiner cour der Bürgerstochter. Und wie er dem kopfschüttelnden Larbi erklärte, war es ihm ernst mit dieser Passion. Nach mehreren Wochen süßer Erniedrigungen, wenn zum Beispiel der Tischler, der unterrichtet war, ihn auf offener Straße nach seinem Einkommen und seinen Absichten (in dieser Reihenfolge) fragte, spielte er sogar mit dem Gedanken an Selbstmord.
    Ja, es war ihm ernst, wenn auch vielleicht nicht tiefernst, und es ist ja ohnehin die Frage, die er sich auch beständig stellte, wie ernst es einem mit etwas sein kann, bei dem man sich selbst nötigenfalls zu höherer oder abgeschwächter Intensität dieses Ernstes zu mahnen weiß. Vielleicht waren verschiedene Menschen unterschiedlich ernsten Ernstes fähig, in welchem Falle, dachte Theodor bekümmert, er offensichtlich nicht zu denen gehörte, die um einer Überzeugung willen bereit waren zu sterben, auch wenn er solche Konsequenz sehr charmant fand.
    Aber sowohl die Liebe mit der Valentini als auch die Liebe zu Gertrud-Laura hatten eines gemeinsam: Sie kosteten Geld.

    Überhaupt mußte Theodor, seit er in Paris logierte, feststellen, wie dringend notwendig Geld für ihn war. Alles, was er unternahm, alles, was er wollte und tat, verlangte Mittel, über die er nicht verfügte. Verwundert verglich er sich wieder einmal mit seinem Freund Sternhart, der sich und seine schmalen Bedürfnisse aus einer inneren Kraftquelle zu versorgen schien und nicht darauf angewiesen war, Handeln und Wandeln durch einen ständigen Zustrom von Geld zu speisen. Nun gab der Preuße auch für Essen und Trinken, Kleidung und Wein, für alles, was Vergnügen macht, nichts aus, der Gedanke, andere Menschen einzuladen oder freizuhalten, war ihm fremd, er

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