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Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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Straßenköter und ihre traurigen Augen und Ringelschwänze denken, und so taumelte sein Geist zwischen diesen wenig hilfreichen Bildern und dem Anblick der Valentini hin und her, die ihn nach wie vor geduldig bei der Stange hielt. Jetzt drückte sie ihr Erstaunen und, deutete Theodor ihre melodische Stimme richtig, ihr Wohlgefallen darüber aus, daß er, offenbar aufgrund einer gewissen Dickhäutigkeit in seinem Zentrum, anders als andere Männer, diese »hastigen Gäste, welche, kaum eingetroffen, sich bereits wieder verabschieden«, langmütiger konstituiert sei und daher ihrem, der Frauen, natürlichem Rhythmus viel zupaßkommender. Aber zu langmütig, gar zu passiv
genießerisch dürfe er auch nicht sein, es handle sich um ein Geben und Nehmen, weswegen die Baroness nun mit beiden Händen ihr Kleid raffte und von den Schultern riß und sich rittlings über ihn schwang, so daß ihre schweren Brüste wie spanische Galeonen in den Hafen seines Oberkörpers einliefen und direkt vor der Kaimauer seines Kinns andockten und er, genau in dem Augenblick, als er fürchtete, nun müsse sein schutzlos aufgerichtetes Geschlecht unter ihrem weißen Rubenskörper zerquetscht werden, auf eine derart perfekte, paßgenaue und mühelose Weise in sie glitt, daß er eine Befriedigung empfand, die der Sternharts ähneln mußte, wenn eine seiner Gleichungen glatt und mit einer ganzen und runden Zahl aufging.
    Aber das war wohl doch ein unpassender Vergleich, denn zu der Erfahrung, die er soeben durchlebte, gehörte ein Rest von Verwischtheit und Unschärfe, ein letztes, sich bewußter Wahrnehmung entziehendes Ungewisses, eine nicht zu erarbeitende, nur zu wünschende Offenbarung.
    Der italienische Gesang seiner Amazone riß ihn aus seinem nutzlosen inneren Disput. Sie ging gerade vom leichten Trab in den Galopp über, schnaubte und wieherte, aber gab die Zügel nicht aus der Hand, Roß und Reiter in einem, ein rechter Zentaur, ging es Theodor in wilden Mythenbildern durch den Kopf.
    Er blickte in ihr gerötetes Gesicht, über dem das unschuldige Veilchenblau des Himmels schon wie Ironie wirkte, sie sah ihn an und rief ihm in ihrer Muttersprache einen gejauchzten Befehl zu, ein einziges Wort nur, das in Theodor sogleich Bilder der Götterspringbrunnen in den Parks wachrief, der steinernen Titanen und Tritonen mit den ungeheuren Gliedmaßen, die herrlich geschwungene Fontänen in die sonnenglitzernden Becken spien, und die Bildhaftigkeit des Imperativs – ebenso wie der Klang des Doppelkonsonanten und dunklen Vokals – war so gewaltig, daß er der Aufforderung fast augenblicklich und ganz
ohne willentliches Zutun laut schreiend vor Befreiung nachkam, gerade im selben Augenblick, als drei gewaltige Kontraktionen, die Theodor nicht recht lokalisieren konnte, aber deutlich spürte, die Valentini wie einen Drachen, den er soeben erlegt hatte, über ihm zusammenbrechen ließen, in einem röchelnden Ausatmen und einer Explosion der Gerüche, salziger Schweiß in Bächen und Maiglöckchen und Knoblauch und noch mehr Undefinierbares.
    Dies war also dies. Theodor schüttelte sich innerlich, um wieder zu Verstand zu kommen und aussprechen zu können, was hier angebracht war:
    Grazie , murmelte er heiser, grazie tante .
    Aber die Baroness wollte nichts von Dank hören, sondern von Liebe. Theodor sprach ihr brav nach, was sie ihm vorsagte, fragte sich aber dennoch, wo das gewünschte Gefühl wohl steckte, das er im Gegensatz zur Wollust auch dann nicht empfand, wenn die Valentini es wortreich beschwor. Er hatte eher den Eindruck, einen Berg überstiegen zu haben und jetzt eigentlich mehr zu wissen, als er hatte wissen wollen. Zwischen ihm und der großnasigen Italienerin war auf eine schwer erklärliche Weise auf einen Schlag zuviel und auch wieder nicht genug offenbart worden, und Theodor verspürte eine Art Reue, als habe er jemandem, von dessen Verschwiegenheit er nicht überzeugt war, ein Geheimnis verraten.
    Wenn also das Bild ihres fruchtreifen Körpers und der Klang ihrer Stimme ihn zu regelmäßiger variierender Wiederholung des gemeinsamen Erlebnisses rief, so war doch zugleich etwas Neues in ihm freigesetzt, das die Valentini nicht befriedigen konnte, oder besser gesagt: das zu befriedigen er ihr nicht zutrauen und zugestehen wollte. Deshalb verliebte er sich kaum eine Woche nach seiner Entjungferung anderweitig, ganz bewußt und absichtlich nach einer Ikone für seinen unbefriedigten Anbetungsdrang suchend und in einer Art seelischer

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