Der König von Luxor
seinen Vater, Howard hatte ihr so viel zu erzählen; doch noch ehe er begann, kam ihm Sarah zuvor: »Howard«, meinte sie unsicher, »du weißt, wie sehr ich dich liebe.«
»Ja, Miss Jones«, antwortete Carter artig.
»Und weil ich dich so liebe«, nahm sie ihre Rede auf, »muß ich dir die Wahrheit sagen. Auch wenn ich dir damit großen Schmerz zufüge.«
Howard sah Sarah Jones mit großen Augen an. Er hatte nicht die geringste Vorstellung, worauf sie hinauswollte. »Schmerz zufügen? – Was soll das heißen, Miss Jones?«
»Du darfst mir glauben, daß das, was ich dir zu sagen habe, mir ebenso weh tut wie dir. Denn die Zeit, die wir zusammen verbracht haben, war die schönste meines Lebens. Ich möchte keine Minute missen.«
Allmählich begann Howard zu ahnen, was Sarah ihm sagen wollte, und er rief aufgeregt: »Sie sprechen in der Vergangenheit, Miss Jones, das klingt, als ob alles vorbei wäre!« Dabei nahm er wahr, wie ihre Gesichtszüge, die sonst soviel Anmut und Liebenswürdigkeit ausstrahlten, eine gewisse Härte annahmen. Selbst als sie ihm ihre Hand freundschaftlich auf die Schulter legte, entbehrte die Geste jener Zärtlichkeit und Wärme, die ihn von Anfang an für sie eingenommen hatte.
»Ich glaube«, sagte sie leise und zurückhaltend, »das Angebot von Lord Amherst ist die Chance deines Lebens. Du wirst Swaffham verlassen und eines Tages als ein berühmter Forscher zurückkehren, und an deinem Geburtshaus in der Sporle-Road wird man ein Schild anbringen: ›Hier wurde Howard Carter geboren, der große Forscher‹. Und ich werde an dem Haus vorbeigehen und ein bißchen stolz sein und ein wenig traurig…«
»Aber ich gehe nicht nach Ägypten, Miss Jones!« unterbrach Howard Sarahs Rede.
»Du wirst!« entgegnete Sarah unnachgiebig.
»Nein! Dreimal nein!« rief Howard zornig. »Ich bleibe hier. Ich liebe Sie doch, Miss Jones!«
»Ich weiß, Howard, ich liebe dich auch. Aber Liebe währt nicht, ewig – vor allem, wenn sie unter so ungünstigen Vorzeichen steht. Es wird die Zeit kommen, da werde ich mich unendlich alt fühlen, und du wirst immer noch jung sein. Es wird die Zeit kommen, da werden Falten mein Gesicht verändern, und meine Brüste, die dich heute so erregen, werden schlaff sein, und du wirst dich nach Mädchen deines Alters umblicken. Nein, Howard, wir sollten einsehen, daß die Zukunft für uns ein unbesiegbarer Feind ist.«
»Warum dieser plötzliche Sinneswandel? Was ist nur in Sie gefahren, Miss Jones? Habe ich Sie verletzt?«
Sarah Jones nahm Howards Kopf zwischen ihre Hände. Das hatte sie schon viele Male getan, und er hatte es genossen. Doch dieses Mal war alles anders. Denn was sie sagte, konnte er einfach nicht glauben: »Howard«, sagte sie leise, »ich werde Chambers heiraten. Es ist das Beste für uns alle.«
Howard wand seinen Kopf aus ihren Händen. »Nein!« rief er. »Das ist nicht wahr! Sagen Sie, daß es nicht wahr ist!«
»Doch, Howard, es ist wahr!«
»Aber Sie lieben diesen Chambers doch gar nicht!«
Sarah schüttelte den Kopf: »Heutzutage heiraten die meisten, ohne sich zu lieben. Und seltsamerweise sind diese Ehen sogar die dauerhaftesten.«
Für Howard brach eine Welt zusammen. Warum tat sie ihm das an? War er für sie nur ein Zeitvertreib gewesen? Eine willkommene Abwechslung im täglichen Einerlei?
»Was kann ich tun, um Sie umzustimmen?« flehte Howard.
»Nichts«, entgegnete Sarah knapp. »Meine Entscheidung steht fest.«
Die kühle Entschlossenheit, mit der sie ihm begegnete, schockierte Howard. Was war in sie gefahren? Das war nicht mehr seine Sarah, die Frau, die er anbetete.
Sarah hatte sich abgewandt. Sie blickte durch das Fenster nach draußen. Plötzlich drehte sie sich um. Howard hatte geglaubt, sie würde weinen. Doch er hatte sich getäuscht. Eine abweisende Härte entstellte ihr schönes Gesicht, daß er es kaum wiedererkannte. Es war weniger der Inhalt ihrer Worte, der ihn erschreckte, als dieser Gesichtsausdruck.
»Sarah?« sagte er unbeholfen, und dabei war er sich der Einzigartigkeit seiner Anrede bewußt.
Sarah hörte es, aber sie reagierte nicht.
Da wußte Howard, daß alles zu Ende war.
Verzweifelt, wütend und nicht mehr Herr seiner Sinne, kehrte Howard nach Didlington Hall zurück. Er kannte nur noch den einen Gedanken: Fort von hier, wo ihn alles, jeder Weg, jeder Baum, jedes Vogelzwitschern an Sarah Jones erinnerte. Es war Sommer, und bis vor kurzem hatten die Wiesen betörender geduftet, die Vögel
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