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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Ganze.«
    »Warum? Es gibt einen Zeugen, der ihn gesehen hat…«
    »Ja, der ihn gesehen hat, nicht mehr!«
    »Was spricht gegen die Aussage des jungen Hazelford? Ich verstehe Sie nicht!«
    Sarah nahm Chambers’ Arm. »Kommen Sie!« Im Gehen meinte sie: »Finden Sie es nicht auch merkwürdig, daß Owen Hazelford bei seinem Verhör weit und breit keinen Menschen gesehen haben will? Wochen später erinnert er sich auf einmal an Howard Carter.«
    »Ungewöhnlich, gewiß, aber nicht unmöglich! Sie wissen doch, Miss Jones, in den Köpfen dieser jungen Leute spielen sich mitunter unerklärliche Dinge ab. Aber gestatten Sie mir eine Frage: Warum laufen Sie vor dem jungen Hazelford weg?«
    »Ich wußte nicht, daß er mit Robert Spink befreundet ist. Und ich möchte nicht, daß er erfährt, daß ich es weiß. Ich halte Owen für einen Tölpel, also gewiß kein Umgang für den jungen Spink. Der umgibt sich nur mit seinesgleichen, mit den McAllen-Töchtern zum Beispiel. Aber mit Hazelford? Ich glaube, er sieht in Owen eher einen nützlichen Idioten, und er mißbraucht ihn für seine Zwecke.«
    »Sie meinen, Spink will den Diebstahl mit Hilfe Hazelfords dem jungen Carter in die Schuhe schieben? Ich bitte Sie, welchen Grund sollte Spink dafür haben?«
    Sarah hob die Schultern. »Es ist nur so ein Gefühl. Carter und Spink hassen sich wie die Pest, seit Spink ihm die Rettung der Seilerstochter aus dem brennenden Haus streitig gemacht hat. Carter behauptet, er habe das Mädchen gerettet, und Spink habe das Mädchen erst an der Haustüre in Empfang genommen.«
    »Und Sie glauben Carter?«
    »Warum sollte ich ihm nicht glauben?«
    »Geltungsdrang. Ruhmsucht. Eigensucht. Da gibt es viele Gründe, Miss Jones.«
    »Gewiß, das ist nicht auszuschließen. Aber würden Sie diese Eigenschaften nicht eher Spink als Carter zuschreiben?«
    Chambers blieb stehen. Sie hatten sich von dem lauten Marktgeschehen etwas entfernt; doch die heftigen Töne der Dampfdrehorgel waren auch hier noch zu vernehmen. »Sie mögen den jungen Carter, nicht wahr?«
    »Ich glaube, ich habe ihm Unrecht getan, als ich ihn mit Hazelfords Aussage konfrontierte.«
    »Ach, Sie haben es ihm gesagt? Wie hat er darauf reagiert?«
    »Er lief fort. Ich glaube, er heulte.«
    »Das kann vieles bedeuten«, sagte Charles Chambers abwesend. Er beobachtete einen etwa zehnjährigen Jungen am Straßenrand, der den Eindruck machte, als ob er sich langweilte.
    »He, komm mal her!« rief Chambers.
    Der Junge gehorchte träge und widerwillig.
    »Warum bist du nicht auf dem Jahrmarkt?« fragte Chambers.
    Da verzog der Junge das Gesicht und griff mit beiden Händen in die Taschen seiner Hose, die bis über die Knie reichte. Schließlich stülpte er das Futter seiner leeren Hosentaschen nach außen und meinte mißmutig: »Womit denn, Sir?«
    Chambers beugte sich zu dem Jungen herab und flüsterte ihm ins Ohr: »Du kannst dir einen Sixpence verdienen. Ich suche einen Kaikanten.«
    »Sixpence, Sir, dafür mache ich, was Sie wollen. Was muß ich tun?«
    »Die Orgel von St. Peter und Paul treten.«
    »Gemacht, Sir.«
    An Sarah Jones gewandt, meinte Chambers: »Ich würde Ihnen gerne ein Ständchen bringen, wenn Sie erlauben.« Dabei machte er mit dem rechten Arm eine einladende Bewegung zur Kirche hin.
    Sarah errötete. »Ein Ständchen auf der Kirchenorgel? Charles, Sie machen mich verlegen!«
    »Ich wäre glücklich, wenn es so wäre. Kommen Sie.«
    In der Kirche nahm Sarah in der hintersten Bankreihe Platz, während Chambers und der Junge auf der Treppe zur Empore verschwanden. Bevor er begann, beugte sich Charles über die Empore und rief leise nach unten: »Aus ›La Traviata‹ von Verdi: ›Ach, dieser Liebe gewaltige Zaubermacht‹.«
    Als Charles geendet hatte, blieb es still in der Kirche St. Peter und Paul. Er gab dem Jungen den versprochenen Sixpence, und der rannte davon.
    Unten angekommen, suchte Chambers nach Sarah Jones. Der Platz, an dem sie gesessen hatte, war leer.
     
     
    Bei Schulbeginn am Montagmorgen fiel Sarah sofort auf, daß Howard Carter fehlte. Sie hatte ein ungutes Gefühl und machte sich Vorwürfe, weil sie Carter von Hazelfords Anschuldigungen berichtet hatte. Und nachdem sie Spink und Hazelford zusammen gesehen hatte, war ihr klargeworden, daß Spink ein abgekartetes Spiel trieb. Sie traute dem jungen Carter einfach nicht zu, daß er sie bestohlen haben sollte.
    Sarah Jones fehlte jede Konzentration, sie verhaspelte sich, geriet ins Stottern, und nach einer

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