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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Rom und Berlin, wo ein sachkundiges Publikum das nötige Kunstverständnis aufbringt. Nur ausnahmsweise und durch glückliche Umstände verursacht, sind wir heute hier in…«
    »Swaffham!« schallte es aus den Reihen der Gaffer.
    »…sind wir heute hier in Swaffham, und weil sich herumgesprochen hat, daß hier ein kunstverständiges Publikum wartet wie nirgendwo im Vereinigten Königreich.«
    Die Zuschauer johlten und klatschten vor Vergnügen in die Hände. Und der Direktor rief ein um das andere Mal: »Hereinspaziert, hereinspaziert! Das Programm ist mindestens zwei Shilling wert, aber heute hier in…«
    »Swaffham!«
    »…aber heute hier in Swaffham zahlen sie nur Sixpence. Hereinspaziert. Diese Gelegenheit kommt nie wieder! Hereinspaziert!«
    Diese Rede blieb nicht ohne Wirkung. Junge wie Alte drängten durch den Eingang, neben dem ein Schild hing: »Mitreisende gesucht!«, in das mit Petroleumlampen illuminierte Etablissement. Jeder wollte die angekündigten Sensationen mit eigenen Augen und vor allen anderen sehen. Unter ihnen Sarah Jones in Begleitung von Charles Chambers, dem Musiklehrer und Organisten von St. Peter und Paul.
    Chambers, ein kleiner, gemütlicher Mann mit krausem Silberhaar, machte Miss Jones seit ihrer Ankunft in Swaffham den Hof, brachte ihr Blumen, lud sie zu Spaziergängen ein und zeichnete sich im übrigen durch so hervorragende Manieren aus, daß man meinen konnte, er stamme noch aus dem vorigen Jahrhundert. Verstärkt wurde dieser Eindruck durch seine altmodische Kleidung, über die sich die Schulkinder bisweilen lustig machten, wenn er bei seinen Musikstunden in Kniehosen und samtenem Gehrock auftrat.
    Die Zuneigung, welche Charles für Miss Jones hegte, war durchaus ehrlicher Natur und fand zwar das Wohlwollen der Auserwählten, aber keinesfalls die gleiche Erwiderung, weil Sarah sich nur schwer vorstellen konnte, daß Charles überhaupt in der Lage war, einer Frau jemals soviel Verehrung entgegenzubringen wie Händel und Haydn. So gingen ihre Gespräche auch mehr über Musik als über Gefühle, was für Sarah Jones nicht ohne Reiz war, aber eben nicht dazu beitrug, ihre Beziehung zu vertiefen.
    Sarah hatte Chambers das Versprechen abringen müssen, mit ihr den Jahrmarkt zu besuchen, und an seiner Miene konnte sie ablesen, wie unwohl er sich fühlte in dieser Umgebung.
    »Wollen wir gehen?« fragte Sarah Jones. »Ich sehe Ihnen doch an der Nasenspitze an, wie sehr Sie leiden!«
    Charles tat entrüstet: »Wo denken Sie hin! In Ihrer Begleitung ist jeder Ausgang ein Vergnügen.« Doch trotz seiner Worte gelang es ihm nicht, seine wahre Meinung zu verbergen.
    Sarah sah Charles prüfend an, und der wurde verlegen. »Also gut, um der Wahrheit die Ehre zu geben, auf Jahrmärkten empfinde ich eher Langeweile als Vergnügen.«
    »Dann lassen Sie uns woanders hingehen…« Sie hielt inne. Keine sieben Meter entfernt erkannte sie Owen Hazelford und Robert Spink in Begleitung der McAllen-Töchter. Wild gestikulierend redeten alle vier aufeinander ein, und es schien, als interessierten sie die Attraktionen um sie herum nicht im geringsten.
    Sarah drängte Chambers hinter einen Planwagen.
    »Was hat das zu bedeuten?« fragte der Musikus neugierig. »Es ist Ihnen wohl unangenehm, wenn wir zusammen gesehen werden!«
    »Aber nein, glauben Sie mir, das hat andere Gründe.« Sarah spähte in Richtung der vier jungen Leute.
    Chambers legte den Kopf zur Seite und meinte indigniert: »Gewiß, ich habe natürlich kein Recht auf Sie; doch ich meine, schämen müssen Sie sich meiner auch nicht!«
    »Nein, gewiß nicht!« beschwichtigte Sarah Jones den empfindsamen Chambers und legte ihre Hand auf seine Brust. »Ich werde Ihnen die Gründe für mein Versteckspiel nennen. Dann werden Sie mich sicher verstehen.«
    Sarahs kleine zärtliche Geste rief bei Chambers Entzücken hervor, und es hätte jener Erklärung gar nicht mehr bedurft, welche Miss Jones hinterherschickte: »Wie ich Ihnen schon sagte, wurde mir bei meiner Ankunft in Swaffham meine gesamte Barschaft gestohlen. Gestern nun sagte mir jener Owen Hazelford, der Sohn des Hoteliers, der meinen Reisekoffer abholte, er habe den jungen Carter in der Nähe meines Gepäckstücks beobachtet.«
    »Kein schlechter Hinweis! Ich kenne den Burschen. Ein Einzelgänger, etwas seltsam.«
    »Mag sein. Ich war zunächst auch überzeugt, dies sei der entscheidende Hinweis. Aber je mehr ich darüber nachdenke, desto unwahrscheinlicher erscheint mir das

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