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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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aber Owen hat eine interessante Beobachtung gemacht. Aber das soll er Ihnen selber sagen.«
    Der Gastwirtssohn war von der Statur das Gegenteil seines Vaters, lang und schlaksig, und dabei machte er nicht gerade den hellsten Eindruck.
    »Erzähle mal der Miss, was du gesehen hast, damals«, befahl Hazelford, als Owen endlich eintraf.
    »Nun ja«, begann dieser und blickte verlegen auf den Boden der Gaststube, »also das war so damals. Es dämmerte schon, als ich an der Stelle eintraf, die Sie mir beschrieben hatten. Und als ich niemanden bei dem Koffer fand, da sah ich mich natürlich um; denn Sie hatten ja gemeint, ein alter Mann würde auf das Gepäckstück aufpassen.«
    Vater Hazelford puffte seinem Sohn ungeduldig in die Seite: »Ja und? Nun sag schon. Was hast du damals gesehen?«
    Owen hob die Schultern. »Ich sag es nicht gerne, weil ich natürlich nichts beweisen kann, Miss. Ich sage es überhaupt nur deshalb, weil auch auf mich ein gewisser Verdacht fällt. Aber ich war es nicht, Miss, glauben Sie mir!«
    Sarah Jones nickte. Allmählich wurde auch sie ungeduldig.
    »Also das war so«, holte der Sohn des Gastwirts aus, »als ich mich umsah, wo der alte Mann geblieben sein könnte, da entdeckte ich vor dem Haus des Apothekers, keine fünfzig Yards entfernt, einen hochgewachsenen schmächtigen Jungen. Ich glaube, es war der junge Carter.«
    »Howard Carter?« Sarah Jones’ Stimme klang aufgeregt.
    »Ja, der! Aber damit will ich natürlich nicht gesagt haben, daß er… Sie verstehen.«
    »Und hast du das beim Verhör auch der Polizei gesagt?«
    »Also nicht direkt, Miss Jones, ich habe mich nämlich erst jetzt erinnert. Und damals erschien es mir ohne Bedeutung.«
    »Aber es könnte von großer Bedeutung sein!«
    »Ich weiß.« Owen hob verlegen die Schultern. Sein Vater nickte zustimmend.
    Hastig zählte Sarah Jones ihre Schulden auf den Tresen, und mit einem kurzen Gruß verschwand sie aus dem Hotel.
    Auf dem Nachhauseweg gingen ihr wirre Dinge durch den Kopf. Sollte sie sich in dem jungen Carter so getäuscht haben? Gewiß, er war ein Außenseiter, aber mit dem Gedanken, er könnte ein hinterhältiger Dieb sein, konnte sie sich einfach nicht abfinden. Warum hatte Owen Hazelford seine Beobachtung verschwiegen?
    Am anderen Tag musterte Sarah Jones den jungen Carter mit kritischem Blick, ohne daß dieser das Studium seiner Physiognomie bemerkte. Miss Jones fühlte sich unwohl bei dem Gedanken, Howard könnte sie um ihr mühsam erspartes Vermögen gebracht haben. Dabei zogen vor ihr noch einmal die Ereignisse ihrer Ankunft vorüber. Aber sie konnte sich nicht erinnern, dem Jungen bei der kurzen Begegnung irgendwelche Hinweise gegeben zu haben, daß sich in dem schweren Koffer ihr gesamtes Erspartes befand. Schließlich faßte sie den Gedanken, Howard eine goldene Brücke zu bauen, damit er ihr das Geld heimlich und unbemerkt zurückgeben könnte.
    Nach dem Unterricht behielt Miss Jones Howard unter dem Vorwand zurück, er solle ihr beim Kleben einer Landkarte behilflich sein. Als die Mädchen das Klassenzimmer verlassen hatten, trat Carter nach vorne. Er musterte Sarah Jones mit zusammengekniffenen Augen, und selbstbewußt, beinahe überheblich, sagte er: »Denken Sie, ich habe nicht gemerkt, wie Sie mich die ganze Zeit angestarrt haben?«
    Carter wirkte verändert. Seit ihm ein anderer die Rettung der Seilerstochter aus dem brennenden Haus streitig machte, gab er sich widerborstig, aufsässig und gehässig. Es schien, als verkehrte sich sein weicher Charakter plötzlich ins Gegenteil. Miss Jones fiel es schwer, in dieser Situation die richtigen Worte zu finden. Schließlich sagte sie: »Ja, ich habe mir Gedanken über dich gemacht, Howard. Und dabei habe ich mich gefragt, ob ich mich wirklich in dir so getäuscht habe.«
    »Ich verstehe Sie nicht!« erwiderte Carter ratlos und ließ Miss Jones nicht aus den Augen.
    Sie wich ihm aus, trat ans Fenster und blickte auf den klotzigen Turm von St. Peter und Paul. Ohne Carter anzusehen, sagte sie: »Du weißt, mir wurde bei meiner Ankunft in Swaffham mein ganzes Geld gestohlen.«
    »Ich weiß. Das ist schlimm. Aber ich habe es nicht!«
    Miss Jones wandte sich um. »Aber du wurdest beobachtet, als du dich in der Nähe des Koffers aufhieltest.«
    »Von wem?«
    »Von Owen Hazelford, als er das Gepäckstück abholte.«
    Howard lachte gequält. »Ach von dem! Der junge Hazelford hat sich doch schon das Gehirn aus dem Kopf gesoffen. Er kann weder lesen noch schreiben. Und

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