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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Grand Hotels von Brighton, Deauville und Monte Carlo in Wettstreit zu treten.
    Jeden Morgen, wenn Howard den Weg vom schäbigen »Maamura Palace« zur Nilanlegestelle suchte, wo die Fähre auf ihn wartete, warf er einen verstohlenen und bisweilen neidvollen Blick auf all den Pomp und Überfluß, der für einige wenige zelebriert wurde. Nicht, daß er unzufrieden oder verbittert gewesen wäre oder seine Lage beklagt hätte, keinesfalls, aber acht Jahre Ägypten, acht Jahre Dreck, Staub und Steine, acht Jahre ohne einen größeren Erfolg hatten Howard verändert. Er war älter geworden, als es die Zahl seiner Jahre vermuten ließ, dazu nachdenklicher und schweigsamer, ein wenig sonderbar.
    Zu behaupten, daß Carter das Alleinsein liebte, wäre übertrieben gewesen. Aber in seinem Leben, das sich nur zwischen seinem Pensionszimmer östlich des Nils und seiner Arbeitsstätte westlich des Flusses abspielte, war kaum Platz für gesellschaftlichen Umgang. Jede freie Stunde nutzte er zum Studium der ägyptischen Geschichte und dem Erlernen der Hieroglyphen, deren Deutung er bald besser beherrschte als die studierten Archäologen. So entschlüsselte er für Loret auch den Papyrus, den er selbst im Grab des Amenophis entdeckt hatte. Demnach waren die dreizehn Königsmumien zur Zeit der 21. Dynastie von Amun-Priestern aus ihren Gräbern geholt und im Grab des zweiten Amenophis versteckt worden.
    Howards einzige Verbindung zur Außenwelt war der junge Sayyed. Sayyed war ihm ans Herz gewachsen, durch ihn wußte er alles, was in und um Luxor von Bedeutung war, und meist noch ein bißchen mehr.
    Eines Morgens überraschte Sayyed Carter mit der Nachricht, Lady Collingham sei am Abend zuvor eingetroffen und im Hotel »Luxor« abgestiegen.
    Howard hatte seit seiner überstürzten Abreise damals nichts mehr von ihr gehört. Auch während seines London-Aufenthaltes war er ihr nicht begegnet. Nun freute er sich, sie wiederzusehen.
    »Woher weißt du, daß sie hier ist?« fragte Howard.
    Sayyed bildete mit Zeige- und Mittelfinger ein V und zeigte auf seine Augen: »Habe ich die feine Dame doch selbst gesehen!« rief er entrüstet. »Sie kam mit der Eisenbahn. Geht viel schneller als Dampfschiff.«
    »Ich hoffe nur, du hast ihr nicht wieder die Handtasche geraubt!« Howard machte ein ernstes Gesicht.
    Da legte Sayyed seine rechte Hand auf die Brust und rief: »Carter-Effendi! Was denken Sie von mir. Sayyed würde nie im Leben die Geliebte eines Freundes bestehlen.«
    Howard mußte lachen. »Das will ich auch hoffen«, antwortete er. »Aber ganz leer ausgegangen bist du wohl auch nicht, wenn du dich schon zu später Stunde am Bahnhof herumtreibst?«
    »Nein, Carter-Effendi!« Sayyed zwinkerte mit dem rechten Auge. »Müssen sich keine Sorgen machen um meinen Lebensunterhalt. Man findet immer etwas.«
    Im Gehen fragte Carter: »Sayyed, hast du dich eigentlich schon einmal mit dem Gedanken getragen, einem anständigen Beruf nachzugehen, ich meine, dir den Lebensunterhalt mit deiner Hände Arbeit zu verdienen?«
    »Oh, Carter-Effendi«, erwiderte der Junge und rollte mit den Augen, »ein Taschendieb arbeitet nur mit den Händen, und Hassan sagt, es ist nicht unrecht, wenn die Armen den Reichen etwas wegnehmen.«
    »Ja, wenn Hassan das sagt. Du behauptest also, noch nie einen Armen beklaut zu haben?«
    »Noch nie!« beteuerte Sayyed und hob die Hand zum Schwur.
    »Aber wie willst du wissen, ob einer arm oder reich ist, mein Freund?«
    Da stemmte der Junge die Fäuste in die Hüften und erwiderte: »Carter-Effendi, ein einziger Blick genügt, und Sayyed weiß Bescheid.«
    »Die Kleidung kann täuschen!«
    »Natürlich.« Sayyed winkte ab. »Die Kleidung eines Menschen sagt überhaupt nichts über sein Vermögen.«
    »Also was dann?«
    »Ich will es Ihnen sagen, Carter-Effendi. Reiche Leute erkennt man an ihrem Schuhwerk, an nichts anderem.«
    Beide blickten an sich herab. Dann musterte Howard Sayyeds Füße, und Sayyed betrachtete die von Carter. »Sehen Sie«, meinte er schließlich, »ein armer Hund wie ich geht barfuß, und…«
    »Ja?«
    »Nun ja, wenn ich mir Ihre abgelaufenen Schuhe so ansehe, dann würde ich sagen, von Reichtum kann keine Rede sein, von Armut allerdings auch nicht. Kurz, von so einem wie Carter-Effendi würde ich die Finger lassen.«
    »Sehr beruhigend!« stellte Howard fest. »Hoffentlich hat sich deine These auch bei allen Taschendieben herumgesprochen!«
    Lachend gingen beide auseinander.
    Am Abend tauschte Carter

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