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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Tiefe.
    Carter preßte die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. Er blickte auf die andere Seite jenseits des Schachtes, wo der Korridor seine Fortsetzung fand. »Unmöglich, da hinüberzukommen.«
    Da zupfte Sayyed Howard am Ärmel und deutete auf die rechte Schachtwand. Jetzt sah es auch Carter. In der Aufregung war ihm entgangen, daß dicht an der Wand ein Holzbalken über den Schacht gelegt war. »Unmöglich«, wiederholte Carter, nachdem er die abenteuerliche Konstruktion eine Weile begutachtet hatte.
    Sayyed prüfte den Balken mit kritischem Blick, dann sah er Carter an und meinte: »Allah streckt dem die Hand entgegen, der ihm vertraut. Halten Sie die Lampe hoch, Carter-Effendi!« Und noch ehe Howard ihn zurückhalten konnte, begann Sayyed, mit den Händen an der Wand Halt suchend, sich seitlich über den Balken zu bewegen.
    Der Balken gab unter dem Gewicht des Jungen nach, er knarrte und ächzte und begann, als Sayyed die Mitte erreicht hatte, leicht zu schwanken. Ein paar kurze, schnelle Schritte, und Sayyed hatte sein Ziel erreicht. »Und jetzt Sie, Carter-Effendi!« rief er herüber, als sei dies die selbstverständlichste Sache der Welt.
    An Mut hatte es Howard noch nie gemangelt. Bedenkenlos hatte er Jane Hackleton aus dem brennenden Haus gerettet, und seine Flugversuche wären ohne Verwegenheit auch nicht denkbar gewesen. Also überlegte er nicht lange, fädelte seinen Hosengürtel durch den Henkel der Laterne und suchte auf die gleiche Weise wie Sayyed seinen Weg. Der Balken knarrte angsteinflößend und bog sich durch, aber nach wenigen Sekunden, die ihm endlos erschienen, erreichte Howard sein Ziel.
    Auf der anderen Seite erkannte er, daß der Korridor abrupt endete. Doch linker Hand zweigte ein Gang ab, ziemlich schmal und auch nicht so hoch wie der Korridor. Howard erstarrte, als er einen Blick hineinwarf: Am Ende des Ganges war ein schwacher Lichtschein zu erkennen. Er wagte kaum zu atmen.
    Sayyed gab Howard ein Zeichen, er möge vorausgehen. Howard nickte stumm. Etwa zehn Schritte trennten sie noch von der Stelle, an welcher der schmale Gang in eine größere Kammer mündete. Man konnte, wenn auch undeutlich, schemenhafte Umrisse erkennen. Howard war zu aufgewühlt, um einen klaren Gedanken zu fassen, zu verwirrt, um Vermutungen darüber anzustellen, was ihn erwartete.
    Er hätte sich in jedem Falle geirrt.
    Denn kaum hatte er das Ende des Ganges erreicht, da tat sich vor ihm ein Saal auf mit vier Pfeilern, in der Mitte ein mannshoher Sarkophag. Der schwere Deckel war etwas zur Seite geschoben. Eine Petroleumlampe auf dem Deckel verbreitete matten Lichtschein.
    Zögernd und leise rief Howard: »Ist da jemand?« Im selben Augenblick erschrak er zu Tode, denn erst jetzt fiel sein Blick auf den Boden. Dort lagen aufgereiht an einer Wand acht, neun, zehn oder noch mehr Mumien, menschliche Körper, eingenäht in derbe braune Sackleinwand.
    Sayyed, den für gewöhnlich nichts, aber auch gar nichts erschüttern konnte und der jeder Situation gewachsen war, Sayyed ergriff Carters Arm und flüsterte stockend: »Carter-Effendi, mir ist unheimlich. Ist das das Jenseits?«
    Howard schnappte nach Luft. Er glaubte zu ersticken. Sein Herzschlag dröhnte in den Ohren. Bei Isis und Osiris, bei allen Göttern der Unterwelt, wer hatte die Petroleumlampe auf dem Sarkophag entzündet? Wo war Loret?
    Kaum hatte er den Gedanken zu Ende gedacht, da erhob sich in der hinteren Ecke eine Gestalt, die Howard für eine hockende Mumie gehalten hatte. Sayyed preßte seinen Arm, daß es schmerzte. Howard stieß ihn beiseite, mit der Linken hielt er seine Laterne in die Höhe.
    »Sind Sie es, Carter?« sagte der Mann im Näherkommen. Es war Victor Loret. »Sie halten mich wohl für verrückt«, meinte er, »und vielleicht bin ich es auch. Aber ich wollte hier einfach ein paar Stunden allein sein.«
    »Das verstehe ich gut«, erwiderte Howard, »aber sagen Sie, Mr. Loret, wo befinden wir uns hier eigentlich?«
    Loret nahm die Petroleumlampe und leuchtete auf die Seitenwand des Sarkophags. Mit dem Finger zeigte er auf einen Königsring.
    »Der zweite Amenophis!« rief Carter erstaunt.
    »Der zweite Amenophis!« wiederholte Loret und hielt die Lampe an den schmalen Spalt, durch den man in das Innere des Sarkophags spähen konnte. »Ich wage es nicht auszusprechen«, bemerkte er leise, »aber wie es scheint, liegt hier noch die Mumie von Amenophis.«
    »Und was ist mit diesen Mumien?« Carter zeigte auf die Mumien an der

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