Der König von Luxor
meinte er, scheinbar entrüstet, »die Welt ist doch schlecht, und mir scheint, sie ist nirgends so schlecht wie in Ägypten.«
Bei diesen Worten warf Carter einen Blick auf Spinks dandyhaftes Schuhwerk. In der Tat, er mußte Sayyed recht geben.
K APITEL 20
Für Carter wäre der Verlust Lady Collinghams weniger schmerzhaft gewesen, hätte er sie nicht ausgerechnet an Spink verloren. Elizabeth wäre die geeignete Frau gewesen, ihn auf andere Gedanken zu bringen. Doch Spink hatte seine Hoffnung zerstört. Aber wenn er ehrlich war, mußte er zugeben, daß die Worte, die er damals dem unglückseligen Chambers an den Kopf geworfen hatte, nun auf ihn selbst zutrafen: Eigentlich hatte er Elizabeth nie besessen, folglich hatte Spink sie ihm auch nicht weggenommen.
Derlei Gedanken gingen ihm durch den Kopf, als Carter am folgenden Tag in Der-el-Bahari seine Arbeit aufnahm. Er hatte inzwischen die Aufsicht über annähernd vierhundert Arbeiter, die damit beschäftigt waren, den Felstempel der Hatschepsut von Schutt und Geröll zu befreien.
Um die Mittagszeit, als die Männer ihr Tagwerk einstellten, näherte sich von Kurna her ein Bote auf einem Maultier. Er überbrachte eine Einladung von Mustafa Aga Ayat zum Dinner im »Winter Palace« – mit Damen, wie er ausdrücklich betonte.
Howard sagte zu. Aber ohne Dame, ließ er dem Aga ausrichten. Im übrigen machte er sich Gedanken, welches Ziel Ayat mit der Einladung verfolgte. Denn eines war klar, Mustafa Aga Ayat handelte nie ohne Hintergedanken.
Bevor er sich auf den Heimweg machte, überquerte er auf dem Rücken von Sir Henry das steile Gebirge, das den Hatschepsut-Tempel vom Tal der Könige trennt. Sein Ziel war Lorets Entdeckung, das Amenophis-Grab. Loret hatte sich nach Kairo begeben, um den Abtransport der Mumien in die Wege zu leiten, und Carter gebeten, er möge inzwischen nach dem Rechten sehen.
Vor dem Erdtrichter hielten zwei bewaffnete Männer Wache, die Carter bestürmten, er möge ihnen doch mitteilen, was sie hier mit Waffen verteidigten. Ein Blick in das Innere hätte keinen Aufschluß gebracht, warum Loret ihre Dienste mit fünf Piaster pro Tag entlohnte.
Howard lachte und erwiderte, die fünf Piaster erhielten sie unter anderem dafür, daß sie keine Fragen stellten. Sollten sie jedoch auf einer Antwort bestehen, so würde sich ihr Tageslohn auf zwei Piaster verringern. Darauf drängten sie Carter, sein Wissen für sich zu behalten. Es interessiere sie nicht im geringsten, was Loret dort unten entdeckt habe. Carter könne sich bedenkenlos entfernen.
Im Restaurant des Hotel »Winter Palace«, rechter Hand von der Eingangshalle gelegen, wurde Howard Carter von Mustafa Aga Ayat erwartet. Der Aga befand sich in Begleitung der Tänzerin Leila. Sie trug ein weißes, enganliegendes Kleid nach neuester Mode, das ihre üppigen Formen und ihre olivfarbene Haut betonte. Zweifellos war Leila eine außerordentliche Schönheit.
»Wo haben Sie die schöne englische Lady gelassen?« begrüßte Ayat seinen Gast. »Wie ich hörte, hält sie sich wieder in Luxor auf.«
»Die Lady?« entgegnete Howard schroff. »Die Lady hat sich anderweitig orientiert. Soll sie glücklich werden.«
Der Aga zog amüsiert die Augenbrauen hoch. »So, so«, meinte er, »das klingt nicht gerade so, als ob sie die Wahl der Lady gutheißen?«
»Ganz recht«, rutschte es Carter heraus. Und erklärend fügte er hinzu: »Ich kenne diesen Mann von früher. Wir können uns nun einmal nicht leiden.« Schnell wandte er sich Leila zu: »Ich hoffe, Sie haben mir meine Ungehörigkeit von damals verziehen. Es lag mir fern, Sie zu beleidigen oder gar, Ihnen wehzutun.«
»Längst vergessen!« erwiderte Leila lachend und reichte Howard die Hand.
Carter nahm Platz und ließ den Blick über die feine Gesellschaft schweifen. Seit jenem unglücklichen Vorfall mit Brugsch hatte er das elegante Hotel nicht mehr betreten. Auch Brugsch war lange nicht mehr in Luxor gesehen worden. Von Sayyed wußte er jedoch, daß der Deutsche noch immer die Finger im Spiel hatte, wenn es darum ging, wertvolle Funde außer Landes zu schaffen. Und dabei fiel auch meistens der Name Ayats.
Die Küche im »Winter Palace« wurde von französischen Köchen geführt, zeichnete sich aber ebenso durch arabische Spezialitäten aus. Carter bestellte Gänsefleisch in Melokia-Blättern, Leila und der Aga entschieden sich für gegrilltes Lamm mit einer Füllung aus in Kamelmilch gedünsteten Innereien und einer sauer
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