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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Wand.
    »Sehen Sie selbst, Mr. Carter!« Er tat einen Schritt zu der Wand hin.
    Jede der Mumien trug ein kleines, kunstvoll gefertigtes Amulett auf der Brust, und auf jedem war der Name eines Pharaos verzeichnet: Thutmosis, Amenophis, Merenptah, Siptah, Sethos. Dreizehn Namen von dreizehn Königen des Neuen Reiches. »Sie sagen ja gar nichts, Mr. Carter«, unterbrach Loret das lange Schweigen.
    Howard blickte zur Decke der Grabkammer, die in dunklem Blau ausgemalt war. Darauf leuchteten gelbe Sterne, gerade so sah es aus, wenn die Nacht über dem Tal der Könige hereinbrach. »Ich versuche«, entgegnete Carter, »mir einen Reim auf all das zu machen.«
    »Und zu welchem Ergebnis kommen Sie?«
    »Es gab nicht nur ein Mumienversteck im Tal der Könige, sondern zwei. Vermutlich wurden beide bereits tausend Jahre vor unserer Zeitrechnung angelegt, weil es schon damals Leute wie Ahmed Abd-er-Rassul gab, die skrupellos in die Gräber eindrangen und alles forttrugen, was einen Wert besaß. Stellt sich nur die Frage, warum den Grabräubern ausgerechnet dieses Versteck verborgen blieb.«
    »Darüber habe ich auch schon nachgedacht«, erwiderte Loret, »und ich habe sogar eine Erklärung. Vermutlich wurden beim Bau eines über dem Eingang liegenden Grabes Berge von Schutt aufgehäuft, und kein vernünftiger Mensch konnte davon ausgehen, daß ausgerechnet darunter ein weiteres Grab verborgen lag.«
    »Ja, so muß es gewesen sein. Aber verraten Sie mir, Mr. Loret, wie sind Sie auf den Eingang zu diesem Grab gestoßen?«
    Loret lachte in sich hinein. »Ganz einfach. Ich begann dort zu graben, wo mir der Erfolg am unwahrscheinlichsten erschien. Seit Jahren heißt es, im Tal der Könige gibt es nichts mehr zu entdecken, und es sind die erfahrensten Ausgräber, die das behaupten. Bei klarem Verstand hätte ich nie gewagt, ausgerechnet an dieser Stelle zu graben; aber ich stand wie unter einem Zwang. Eine Stimme in mir sagte: Victor, da und nirgends anders!«
    »Und was wollen Sie jetzt tun?«
    »Darüber zerbreche ich mir den Kopf, seit ich vor zehn Tagen zum ersten Mal in diesem Raum stand.«
    »Vor zehn Tagen? Warum haben Sie Ihre Entdeckung noch nicht bekanntgemacht?«
    Der Ausgräber hob beide Hände: »Wo denken Sie hin, Mr. Carter. Nichts wäre törichter, als dieses Versteck zu verraten. Glauben Sie einem alten Archäologen. Verschwiegenheit ist in unserem Gewerbe die Hälfte des Erfolges.«
    Howard verstand Lorets Andeutung sehr wohl, aber er tat so, als habe er nicht begriffen, was er meinte, und widmete sich der Betrachtung der Mumien, die auf dem Boden lagen.
    Da hörte er Lorets Stimme: »Woher wußten Sie eigentlich von meiner Entdeckung, und wie sind Sie hierher gekommen?«
    Carter wandte sich um. »Sayyed«, sagte er, weiter kam er nicht. Er suchte den Raum ab, warf einen Blick in den Gang, der bis zum Schacht führte – der Junge war mitsamt seiner Laterne verschwunden. »Ein gewitzter Kerl, dieser Sayyed, und manchmal etwas rätselhaft. Er weiß oft Dinge, die kein anderer weiß. So auch in diesem Fall.«
    »Merkwürdig«, meinte Loret, »ich kenne diesen Sayyed überhaupt nicht, und außer meinem Rais und dem Vorarbeiter weiß bisher niemand, was sich in dem Erdloch befindet. Ich kann mich doch auf Ihre Diskretion verlassen?«
    »Selbstverständlich, Sir!« erwiderte Carter. »Aber erlauben Sie mir die Frage: Was haben Sie jetzt vor?«
    »Eine gute Frage«, erwiderte Loret und trat Carter ein paar Schritte entgegen. »Gestatten Sie mir eine Gegenfrage: Wie würden Sie sich an meiner Stelle verhalten?«
    Howard fühlte sich geschmeichelt, daß der Direktor der Altertümerverwaltung ihn um seine Meinung fragte. Er dachte auch nicht lange nach und antwortete: »Ich glaube, die Königsmumien sollten zu den anderen ins Museum nach Kairo gebracht werden. Dort sind sie am sichersten. Doch was die Mumie von König Amenophis betrifft, so würde ich diese in ihrem Sarkophag und an Ort und Stelle lassen. Kein zivilisierter Mensch hat das Recht, die Totenruhe eines anderen Menschen zu stören. Selbst wenn er seit mehr als dreitausend Jahren in seinem Grab liegt.«
    Da geschah etwas, womit Carter nicht gerechnet hatte. Loret trat auf ihn zu, drückte seine Hand und sagte: »Danke, Mr. Carter, Sie bestärken mich in meiner Auffassung. Genauso soll es geschehen. Ich trage mich sogar mit dem Gedanken, das Grab des Pharaos wieder zu verschließen, unerreichbar für Grabräuber.«
    »Es ist Ihre Entdeckung, Mr. Loret!« entgegnete

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