Der König von Luxor
den Abgrund gezogen.
Loret ließ Carter rufen. Dabei kam es zwischen beiden zu einer heftigen Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Franzose Carter beschuldigte, das Grab und seinen kostbaren Inhalt verraten zu haben. Ein Wort gab das andere, und es hätte nicht viel gefehlt, und die beiden Männer wären aufeinander losgegangen.
Nachdem beider Gemüter sich einigermaßen beruhigt hatten, fand Loret sogar Worte der Entschuldigung. Und auch Carter bedauerte, ausgerechnet an dem Abend, als sich der Raub ereignete, im Hotel »Winter Palace« gewesen zu sein.
»Meine Wut ist nicht geringer als die Ihre«, bemerkte Carter, »und Sie können sicher sein, daß ich niemandem gegenüber eine Bemerkung gemacht habe.«
»Das waren Gangster, die ihr Handwerk verstehen«, erwiderte Loret, »sie haben die übrigen Königsmumien unberührt gelassen, weil sie sahen, daß diese weder Schmuck noch andere Pretiosen an sich trugen.«
»Haben Sie schon einmal daran gedacht, daß die Wächter mit den Räubern unter einer Decke stecken könnten?«
»Mr. Carter!« entrüstete sich Loret, »ich habe die beiden Männer gefesselt und geknebelt aufgefunden.«
Howard lachte gequält. »Das hat nichts zu bedeuten, Mr. Loret, für ein sattes Bakschisch lassen diese Leute viel mit sich machen. Und naiv, wie sie sind, glauben sie, dadurch jeden Verdacht von sich zu lenken.«
Loret wurde nachdenklich. Dieser Carter war ein schlauer Fuchs, und vermutlich kannte er die ägyptische Seele besser als jeder andere Europäer. »Ich kann nicht einmal die Polizei einschalten«, klagte der Franzose, »jedenfalls nicht heute; denn dann weiß man in ganz Oberägypten, daß hier doch dreizehn Königsmumien zu finden sind. Ich kann den Fall erst zur Anzeige bringen, wenn die Mumien auf ein Schiff gebracht und nach Kairo unterwegs sind.«
»Wann kann das sein?«
»Ich habe ein Dampfschiff gechartert. Es wird frühestens morgen abend eintreffen.« Loret machte einen niedergeschlagenen Eindruck.
»Vielleicht kann ich Ihnen helfen«, bemerkte Carter und blickte um sich, als hielte er Ausschau nach einem Verbündeten.
»Wie soll ich das verstehen?«
»Ich will mich nicht aufdrängen«, entgegnete Howard, »aber ich lebe nun schon ein paar Jahre in dieser Gegend. Und das bringt es so mit sich, daß man auch zwielichtigen Gestalten begegnet. Was ich sagen will: Ich habe durchaus Kontakte zu Leuten, für die wir Archäologen ausgemachte Feinde sind.«
Loret zog die Augenbrauen hoch, aber in seinem Gesichtsausdruck lag Bewunderung.
»Wenn Sie wollen«, fuhr Carter fort, »kann ich meine Verbindungen spielen lassen. Es müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir den Grabräubern nicht auf die Spur kämen. Die einzige Frage, die ich Ihnen stellen muß, ist die: Was ist Ihnen die Sache wert, Mr. Loret?«
»Wie bitte?« Loret schien ziemlich entsetzt, und Howard mußte ihn beschwichtigen.
»Wissen Sie, in diesen Kreisen kann man ohne Bakschisch kaum etwas ausrichten. Es gibt Kerle, die lungern herum und leben letztendlich von dem, was sie irgendwo aufschnappen. Und das bedeutet, Sie müssen für jede Information zahlen.«
»Ich verstehe.« Loret fuchtelte wild in der Luft herum. »Mr. Carter, sehen Sie zu, daß Amenophis wiedergefunden wird. Ich bin bereit, dafür jeden Preis zu zahlen.«
Carters erster Weg führte ihn zu Sayyed. Er wohnte mit sieben Brüdern nahe der Polizeistation, in einer Gegend, die von Ausländern gemieden wurde. Alle Brüder Sayyeds lebten von kleinen Diebereien und gelegentlichen Aufträgen und nicht selten davon, daß sie mehr wußten als andere.
Von dem Mumien-Raub hatte Sayyed noch nichts gehört, jedenfalls behauptete er das mit treuherzigem Augenaufschlag – Carter mußte ihm glauben. Ein älterer Bruder Sayyeds wußte jedoch zu berichten, in der Nacht zuvor habe ein geheimnisvoller Schiffstransport stattgefunden. Mehr wisse er auch nicht.
Als Howard eine Prämie von zehn britischen Pfund in Aussicht stellte, falls es gelänge, den Aufenthaltsort des geraubten Pharaos zu ermitteln, erhellten sich die Mienen der anwesenden Brüder Sayyeds und ebenso ihr Erinnerungsvermögen. Der Jüngste, ein Zwerg mit wachem Blick, aber körperlich zurückgeblieben, hatte, so beteuerte er, wenig später Ahmed Abd-er-Rassul aus dem Hotel »Luxor« kommen sehen, von wo er sich ins »Winter Palace« begeben habe. Er wolle jedoch nicht behaupten, daß diese Beobachtung in Zusammenhang mit dem Mumien-Raub stehe.
»Und wie lange kann
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