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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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ab zu gehen, wobei sein Blick unablässig von einem Abteilfenster zum anderen wanderte. Die Zeiger der Bahnhofsuhr wanderten auf elf zu, als der Bahnhofsvorsteher, der jede Eile verteufelte, in roter Uniform und mit einem Sprechtrichter ausgestattet, vor den Zug trat und die baldige Abfahrt verkündete. Man konnte das nur vermuten, weil die Abfahrt längst überfällig und der Singsang seiner Stimme aus dem Trichter so unverständlich war wie das Morgengebet des Muezzin.
    Ratlos mußte Howard mit ansehen, wie sich die Eisenbahn in Bewegung setzte und in der Dunkelheit nach Norden verschwand. Etwas Unerwartetes mußte vorgefallen sein – jedenfalls fand Carter keine andere Erklärung, und so machte er sich auf den Rückweg nach Dra abu el-Naga. Auf der Fähre zum jenseitigen Ufer warf er die Blumen in den Nil.
    Zwei Tage waren vergangen, da brachte Sayyed eine Nachricht von Elizabeth. Ihr Fluchtplan war entdeckt worden, und Spink hatte ihr Paß und Geld weggenommen. Sie sei verzweifelt und wisse keinen Ausweg.
    Howard musterte den mit flüchtiger Schrift geschriebenen Brief, dann warf er Sayyed einen prüfenden Blick zu und fragte: »Wie konnte Mrs. Spink dir diesen Brief zustecken? Sie wird jetzt gewiß mehr beobachtet als zuvor!«
    »Davon können Sie ausgehen, Carter-Effendi. Die arme Mrs. Spink tut mir leid. Sie trug mir auf, Ihnen zu sagen, sie sollten sich in acht nehmen. Spink-Effendi ist ein böser Mensch. Alle fürchten ihn. Aus Angst vor Schlägen halten alle Diener zu ihm, obwohl ihnen Mrs. Spink viel lieber ist. Nur einer ist auf der Seite der schönen Lady: mein Bruder Suleiman.«
    »Dein Bruder ist Diener bei Spink?«
    Sayyed nickte eher beiläufig, als wäre das die selbstverständlichste Sache der Welt. Und mit einem Augenzwinkern meinte er: »Ist doch gut, wenn man viele Brüder hat, oder?«
    Lord Carnarvon bewohnte eine Suite im Erdgeschoß des Hotels »Winter Palace«. Lady Almina und ihre Tochter Evelyn waren längst abgereist und nach England zurückgekehrt, da meldete sich ein europäisch gekleideter Ägypter mit Fes auf dem Kopf im Hotel, er wünsche Lord Carnarvon in einer wichtigen Angelegenheit zu sprechen. Sein Name spiele keine Rolle.
    Seine Lordschaft war nicht gewohnt, auf derlei Unhöflichkeiten zu reagieren, aber schließlich siegte die Neugierde, und er trat dem rätselhaften Fremden in der Hotelhalle entgegen.
    »Wer sind Sie?« fragte der Lord und musterte den Mann von Kopf bis Fuß. Dessen vornehme dunkle Kleidung war nicht in der Lage, sein zwielichtiges Erscheinungsbild zu verbergen. Der Unbekannte zählte zu jener Sorte Menschen, mit denen man, ohne daß sie den Mund auftun, lieber nichts zu schaffen hat. Seine schwarzen Haare trieften vor Brillantine, Puder überdeckte seinen dunklen Bartwuchs, und der Anzug, den er trug, sah aus der Nähe schmuddelig aus und glänzte wie eine Speckschwarte.
    Deshalb war Carnarvon schon geneigt, sich zurückzuziehen, als der Fremde, seine Frage ignorierend, sagte: »Wie ich hörte, sammeln Sie Altertümer, Mylord, und die Ausbeute Ihrer Grabungen ist bisher nicht gerade berauschend.«
    Der Lord zögerte: »Ja und?«
    »Ich habe etwas zu verkaufen, etwas Wundervolles, Sir, die Zierde jeder Sammlung. Aber wollen wir uns nicht an einen ruhigeren Ort begeben, wo es keine Zeugen gibt für unser Gespräch?«
    Carnarvon nickte und machte eine Handbewegung in Richtung der Sitzgruppe nahe der Treppe, die zur Empore führte. Dort nahmen sie Platz.
    »Worum handelt es sich?« fragte der Lord.
    »Eine Vase mit goldenem Deckel, 1. Dynastie, eines der ältesten Kunstobjekte, das je in Ägypten gefunden wurde.«
    »Ich will es sehen. Und zwar sofort!«
    »Inschallah«, entgegnete der undurchsichtige Ägypter. »Aber ich stelle die Bedingungen.«
    »Und die wären?«
    »Dreihundert Britische Pfund. Und Sie müssen sich mit verbundenen Augen zu einem geheimen Ort und wieder zurückbringen lassen. Ich garantiere für Ihre Sicherheit, Sir. Sie haben mein Wort.«
    Abenteuer wie dieses waren nach dem Geschmack Lord Carnarvons. Auf seinen Reisen um die Welt hatte er weit gefährlichere Begebenheiten erlebt, jedenfalls fürchtete er weder Tod noch Teufel. Ohne Bedenken suchte er den hinter der Portiersloge gelegenen Tresorraum auf, ließ sich dreihundert Pfund aushändigen und trat aus dem Hotel, wo ihn der Ägypter erwartete. Gemeinsam bestiegen sie eine geschlossene Kutsche, die vor den Kolonnaden wartete.
    »Sie müssen entschuldigen«, sagte der Unbekannte,

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